Chamonna Tuoi bleibt im Winter zu

An der Ostflanke des Piz Buin Pitschen sind knapp eine Million Kubikmeter Fels in Bewegung. Wie es in einem breit abgestützten Fachbericht heisst, ist innerhalb der nächsten fünf Jahre ein grösserer Felssturz sehr wahrscheinlich. Wie die Gemeinde Scuol am Freitag mitteilte, stellen die abstürzenden Massen je nach Szenario und in Kombination mit winterlichen Verhältnissen eine Gefahr für die SAC-Hütte Chamonna Tuoi und ihre Besucher dar. Konkret sei das Gebäude durch die zu erwartende Druckwelle gefährdet. Nach Beurteilung der Gefahrenlage und Prüfung möglicher Überwachungsmassnahmen und in Rücksprache mit dem kantonalen Amt für Wald und Naturgefahren (AWN) habe die Gemeinde Scuol am Dienstag die Schliessung der Chamonna Tuoi verfügt. Im Weiteren sei auch ein entsprechendes Betriebs- und Nutzungsverbot erlassen worden. Wie die Gemeinde weiter schreibt, ist der Entscheid mit der regionalen SAC-Sektion besprochen worden. Gestützt werde die Schliessung auch vom Büro für Technische Geologie (BTG) und dem Schweizerischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF).

Unterschiedliche Gefahrenlage für Sommer und Winter

Die potenzielle Felssturzmasse befindet sich gemäss Mitteilung südwestlich der Fuorcla Buin und unterteilt sich in zwei Kompartimente. Der obere, kleinere Anteil bewege sich mit einer Geschwindigkeit von eineinhalb bis zwei Metern pro Jahr talwärts. Das untere Kompartiment habe ein geschätztes Volumen von rund 800'000 Kubikmetern und bewege sich mit bis zu einem Meter pro Jahr etwas langsamer. Neben der hohen Wahrscheinlichkeit eines Felssturzes habe der geologische Bericht auch aufgezeigt, dass das Problem einer erheblichen Druckwelle im Falle eines Abbruchs im Winter deutlich höher sei. Dies wegen des höheren Wasseranteils.

Die Chamonna Tuoi am Fuss des Piz Buin ist bei Alpinisten ein ganzjährig beliebtes Ausflugsziel sowie Ausgangs- und Zielpunkt zahlreicher Touren. Die Sperrung der Hütte treffe insbesondere das Hüttenteam und die regionale Sektion des SAC sehr, schreibt die Gemeinde Scuol. Die Verantwortlichen hätten den Entscheid dennoch gestützt und seien auch in den Beurteilungs- und Entscheidungsprozess miteingebunden worden. Ob die SAC-Hütte im Sommer wieder öffnen kann, ist noch nicht klar. Die Gemeinde wird noch weitere Untersuchungen abwarten und im kommenden Frühling 2023 einen Entscheid für oder gegen einen Sommerbetrieb der Chamonna Tuoi fällen.

Gesteinsbewegungen sind im hochalpinen Gelände keine Seltenheit – dennoch werden sie mit steigenden Durchschnittstemperaturen und zunehmenden Naturereignissen immer aufmerksamer beobachtet, heisst es in der Mitteilung. So hätten im Jahr 2020 auffällige Zerrklüfte in der Ostflanke des Piz Buin Pitschen das SLF – zunächst aus wissenschaftlichem Interesse – zu weitergehenden Untersuchungen veranlasst. Später sei auf Basis erster Erkenntnisse aus Drohnenbefliegungen und Modellierungen das Büro für Technische Geologie (BTG) mit der Beurteilung der Felssturzgefährdung beauftragt worden. Über zwei Jahre hinweg hat dieses spezialisierte Büro in Kooperation mit der Gemeinde, dem AWN sowie dem SLF diese Beurteilung bis zum Herbst 2022 augearbeitet. Anhand der Daten aus mehreren Befliegungen mittels Helikopter und Drohnen, Radaranalysen vor Ort und dem Einsatz unterschiedlicher Berechnungsmodelle lasse sich die Gefährdungslage jetzt konkret formulieren und habe dementsprechend auch die vorsorgliche Sperrung der Chamonna Tuoi für den Winter nach sich gezogen. (red)