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Frisch von der Leber

Kürzlich erreicht mich eines Morgens per E-Mail eine Nachricht: «Guten Morgen Barbara, hast du eine Minute Zeit? Du musst so schnell wie möglich eine Aufgabe für mich erledigen. Ich kann nicht sprechen, ich habe eine Besprechung, also antworte einfach hier. Mit freundlichen Grüssen, Marianne»

Südostschweiz
11.09.24 - 09:00 Uhr
Ereignisse
Betrug Symbolbild
sogl

 

Ich kenne Marianne (den Namen habe ich geändert) gut. Sie ist Geschäftsfrau und vertrauenswürdig.

«Klar doch. Worum gehts?», schreibe ich also zurück.

«Du musst mir ein paar Geschenk­karten besorgen, ich möchte sie an ein paar Leute schicken. Bitte lass mich wissen, ob du sie jetzt besorgen kannst, damit ich dir sagen kann, welches Produkt du brauchst und wie viel davon. Ich werde dir das Geld zurückgeben», schreibt Marianne. Dass ich das Geld zurückbekomme, versteht sich ja wohl von selbst, denke ich. Etwas kommt mir doch seltsam vor und ich schreibe:

«Bist du sicher, dass du mit der richtigen Barbara schreibst? Wenn es so dringend ist, wie kommen die Karten von Davos nach Klosters?» Die Antwort erfolgt umgehend:

«Ich benötige fünf Paysafecard-Geschenkkarten im Wert von 150 CHF. Also insgesamt 750 CHF. Die bekommst du ganz bequem bei deinem Coop, Lidl, der Post oder im Avec. Wenn du welche hast, fotografiere die Kassenbons mit den Codes und schicke sie mir als Anhang. Ich brauche sie dringend. Kannst du sie mir jetzt besorgen? Und schreib mir, wie du dein Geld zurückhaben willst.»

Nun, ich behaupte, kein digitaler Vollidiot zu sein. Aufforderungen mein Irgendwas-Konto zu verifizieren, werden mit Todesverachtung weggeklickt, Nachzahlungs-Anforderung für Postsendungen (so ich denn welche erwarten würde) ignoriere ich einfach und Gewinne in Millionenhöhe interessieren mich nicht. Auch um Notfälle meiner Kinder navigierte ich bisher erfolgreich herum. Doch an diesem Morgen beim Jonglieren zwischen einem Text, der geschrieben werden will, dem Posteingang, der bewältigt werden muss und den Zeitungsseiten, die gefüllt werden sollen, erwischt mich die Anfrage völlig unvorbereitet. Also stehe ich am Mittag in der Postfiliale und kaufe die gewünschten Karten. Dazu schreibe ich:

«Habe jetzt fünf Zettel und bin auf dem Heimweg. Wie gehts weiter?» und füge dem ein Foto des Kassenbelegs mit den Seriennummern bei.

«Senden Sie die Fotos der Quittungen mit den Codes», kommt umgehend die Antwort.

Ist es die frische Luft oder die körperliche Betätigung, während ich auf dem Velo strample? Auf jeden Fall setzt mein Gehirn plötzlich ein und meldet: «Achtung!» So versuche ich, als Nächstes Marianne telefonisch zu erreichen. Sie hätten Betriebsferien, lässt mich der Telefonbeantworter wissen. Inzwischen bin ich aber im Misstrauisch-Modus und schreibe sie auf einem anderen Kanal an. In der Zwischenzeit meldet sich «Marianne» nochmals per Mail:

«Warte immer noch auf die Fotos.» und kurz danach «Hallo?»

Ohne Rückversicherung bin ich inzwischen nicht mehr bereit, mitzuspielen, und warte erst mal ab.

Am frühen Nachmittag meldete sich Marianne und weiss von nichts. Sie geht der Sache aber nach und stellt fest, dass sich die Betrüger die nötigen Informationen aus im Internet frei verfügbaren Angaben zusammen­gestückelt hatten und mich über eine eigens dazu eingerichteten Mailadresse anschrieben. So stand ich am Abend dieses Tages da, um eine wertvolle Erfahrung reicher und mit fünf Paysafe-Belegen im Besitz, mit denen ich absolut nichts anzufangen wusste.

So beschloss ich, die Dinger wieder zurückzugeben, und nachdem es über die Webseite des Herausgebers nicht funktionierte, versuchte ich es bei der Verkaufsstelle. Dort landete ich wieder bei der gleichen netten Postangestellten. Sie konnte sie nicht zurücknehmen, gestand aber, dass sie sich schon gewundert und sich überlegt habe, etwas zu sagen. Doch schliesslich sei sie zum Schluss gekommen, ich wisse wohl schon, was ich tue. Offensichtlich eben nicht! Hätte sie nur etwas gesagt!

Zumindest konnte sie mir aber eine Telefonnummer angeben. Der nächste Schritt war also ein Anruf da. Der Mensch am anderen Ende der Leitung sass wohl auf einem anderen Kontinent, tat sehr verständnisvoll, kapierte aber nichts. Er nahm meine E-Mail-Adresse auf und versprach, man würde mich kontaktieren. Als das erwartete Mail Tage später noch immer nicht eingetroffen war, beschloss ich, es über die Webseite zu versuchen. Nach einer endlosen Abfrage meiner Daten – ich bin überrascht, dass auf die Angabe meiner Blutgruppe verzichtet wurde – konnte ich schliesslich meinen Antrag platzieren. In der Zwischenzeit liegt es tatsächlich wieder auf meinem Konto.

Schwein gehabt, könnte man da sagen. Da ich dazu tendiere, in allem die gute Seite zu finden, sehe ich darin eine wertvolle Erinnerung, wie schnell man in einer solch gut gestrickten ­Falle landen kann.

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