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Martullo-Blocher heizt Debatte über neues AKW an

Der Schweiz droht laut SVP-Vizepräsidentin Magdalena Martullo-Blocher eine Stromlücke. Deshalb müssten bestehende Atomkraftwerke weiter betrieben und langfristig ein neues AKW gebaut werden.

Agentur
sda
22.07.21 - 13:12 Uhr
Politik
Dampf strömt aus dem Kühlturm des Kernkraftwerks Gösgen SO. (Archivbild)
Dampf strömt aus dem Kühlturm des Kernkraftwerks Gösgen SO. (Archivbild)
KEYSTONE/GAETAN BALLY

Mit Photovoltaik, Wasserkraft oder Stromimporten aus der EU könne die Stromlücke nicht geschlossen werden, sagte die Bündner Nationalrätin Martullo-Blocher dem «Blick». Die Schweiz könne es sich nicht erlauben, die AKW abzustellen und damit ein Drittel der Stromproduktion zu verlieren. Bundesrätin Simonetta Sommaruga müsse mit den AKW-Betreibern die sichere und effiziente Verlängerung der Laufzeit von bestehenden Kernkraftwerken ausarbeiten.

Eine Verlängerung um zehn Jahre wäre laut Experten möglich, so Martullo-Blocher. Bei einer Konzession gehe man von einer Laufzeit von 50 Jahren aus. Das letzte AKW würde 2035 vom Netz gehen. Das wäre in der Stromherstellung kurzfristig. Die Verlängerung der Laufzeiten werde etwas kosten. Im Vergleich zu den Stromausfällen, die sonst die ganze Schweiz lahmlegen würden, sei das aber wenig.

Gaskraftwerk als Rückfallposition

Als Rückfallposition müsse die Bundesrätin wohl oder übel ein Gaskraftwerk vorbereiten. Langfristig kämen neue Technologien wie die Geothermie, Wasserstoff aber auch die Kernkraft wieder in Betracht. Die Schweiz sei schon heute schon heute beim Industriestrom das drittteuerste Land in Europa.

Die Grünen halten die Forderung für ein neues AKW «absurd». Die Schweiz müsse jetzt vorangehen und die Anstrengungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien verstärken, schrieb der Grüne Thurgauer Nationalrat Kurt Egger in einer Stellungnahme. Dafür habe sich auch die Stimmbevölkerung mit ihrem Ja zur Energiestrategie 2050 ausgesprochen, hielt Egger als Mitglied der parlamentarischen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie fest.

Ein neues AKW trägt laut Egger nicht zu einer schnellen Energiewende bei. Bis es Strom produzieren könne, würden Jahrzehnte vergehen. Auch bringe ein AKW ein grosses Sicherheitsrisiko mit sich, und das Abfallproblem sei und bleibe nach wie vor ungelöst.

In der Schweiz werden derzeit vier AKW betrieben - Beznau I und II, Leibstadt und Gösgen. Ende 2019 ging das Atomkraftwerk in Mühleberg BE vom Netz. Wann genau die anderen Atommeiler im Rahmen des Ausstiegs aus der Atomenergie abgeschaltet werden, ist offen. Der Bund lancierte Gespräche mit den Betreibern über deren Pläne für eine mögliche längere Laufzeit.

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"Tausende Menschen kommen dabei ums Leben.": Es ist unseriös und populistisch, die Toten und sonstigen schrecklichen Auswirkungen des Tsunami auf das Kernkraftwerk zu schieben. Wie sollte man solche Leute ernst nehmen?

Die grössten Unfälle in Atomkraftwerken

2011: Fukushima, Japan - INES 7
Am 11. März trifft nach einem Erdbeben der Stärke 8,9 ein gewaltiger Tsunami auf Japan. Mehrere Nachbeben erschüttern die Region. Tausende Menschen kommen dabei ums Leben. Das AKW Fukushima wird dabei schwer beschädigt und es kommt zur Kernschmelze in drei Reaktoren und einer weiteren Explosion in Reaktor 4. Noch sind die kompletten Auswirkungen der Atom-Katastrophe nicht völlig absehbar. Permanent kommt es zu Zwischenfällen im AKW.

2008: Tricastin, Frankreich
In Südfrankreich ereigneten sich innerhalb kurzer Zeit 3 AKW-Unfälle. 18 Kubikmeter mit Uran belasteter Flüssigkeit liefen aus dem AKW Tricastin aus. In der Nuklearanlage in Saint-Alban waren 15 Mitarbeiter bei einer Inspektion radioaktiv belastet.

2006: Forsmark, Schweden
Am 25. Juli 2006 kommt es im schwedischen AKW Forsmark fast zu einem GAU (= größter anzunehmender Unfall) durch Kernschmelze, wie ein Konstruktionsleiter des Kraftwerks berichtete. Nach einem Kurzschluss startete das Notkühlsystem nicht – auch das Steuerungssystem war ausgefallen. Fast eine halbe Stunde lang hatte die Betriebsmannschaft keinen Überblick über den Zustand des Atomkraftwerks.

1999: Tokaimura, Japan - INES 5
Am 30. September kommt es in der japanischen Urananreicherungsanlage zu einem schweren Unfall. Beim Mischen radioaktiver Substanzen wird eine nukleare Kettenreaktion ausgelöst. In einem Radius von 350 Meter rund um das Werk werden alle Menschen evakuiert. Innerhalb von 10 Kilometern dürfen die Bewohner ihre Häuser nicht verlassen. Drei Arbeiter werden mit einer hohen Dosis verstrahlt, zwei davon sterben Monate später.

1986: Tschernobyl, Sowjetunion (heute Ukraine) - INES 7
Bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wurden große Mengen an radioaktiver Materie durch die Explosionen und den anschließenden Brand in die Umwelt freigesetzt und über ganz Europa verteilt. 400.000 Menschen müssen ihre Heimat verlassen, offiziell gelten 73.000 Menschen in der Ukraine als Tschernobyl-Invaliden, bis zu 40.000 Menschen werden voraussichtlich durch den Unfall ihr Leben verlieren.

1979: Three Mile Island, USA - INES 5
Am 28. März kommt es im Atomkraftwerk bei Harrisburg (Pennsylvania) zu einer teilweisen Kernschmelze und dem Austritt von Radioaktivität. Stundenlang ist der Reaktor außer Kontrolle, eine Explosion droht. Eine beispielhafte Serie von Pannen und Fehlern läuft ab. Die Behörden geben eine erhöhte Krebsrate unter der Bevölkerung zu, streiten einen Zusammenhang mit dem Unfall jedoch ab.

1977: Belojarsk, Sowjetunion – INES 5
Bei einem Unfall schmelzen 50 % der Brennstoffkanäle des Blocks 2 vom Belojarsker AKW, einem Druckröhrenreaktor. Die Reparatur dauern etwa ein Jahr. Das Personal wird hohen Strahlenbelastungen ausgesetzt.

1974/75: Leningrad, Sowjetunion - INES 4-5
Im Februar 1974 kommt es aufgrund siedenden Wassers zu einem Bruch des Wärmetauschers im Block 1 des Kernkraftwerks Leningrad. Drei Menschen sterben und hochradioaktives Wasser aus dem Primärkreislauf zusammen mit radioaktivem Filterschlamm werden in die Umwelt freigesetzt. Im Oktober des folgenden Jahres kommt es zu einer teilweisen Zerstörung des Reaktorkerns in Block 1. Nach dem Abschalten des Reaktors wird dieser gereinigt, indem man eine Notreserve Stickstoff hindurchpumpt und durch den Abluftschornstein abbläst. Dabei werden ca. 55 Petabecquerel an radioaktiven Substanzen an die Umwelt abgegeben.

1969: Lucens, Schweiz – INES 5
Nachdem während eines einjährigen Stillstandes eines experimentellen Reaktors im Versuchsatomkraftwerk Lucens Wasser aufgrund einer kaputten Gebläse-Dichtung in den Kühlkreis des Reaktors kommt, korridieren die Brennstab-Umhüllungsrohre. Nachdem der Reaktor wieder in Betrieb genommen wird, verhindert die Korrosion die Kühlung des Reaktors. Es kommt zu einer partiellen Kernschmelze, da der Brennstoff überhitzt.

1959: Simi Valley, USA – INES 5-6
Im kalifornischen Santa Susana Field Laboratory kommt es aufgrund eines verstopften Kühlkanals zu einer 30-prozentigen Kernschmelze. Auch wenn der Großteil der Spaltprodukte abgefiltert werden konnte, wurden die radioaktiven Gase jedoch an die Umwelt freigesetzt. Es kommt zu einer der größten Freisetzungen von radioaktivem Jod-131 der Nuklargeschichte. Der Unfall selbst wurde lange Zeit verheimlicht.

1957: Windscale, Großbritannien - INES 5
In der Wiederaufbereitungsanlage Windscale, dem heutigen Sellafield, gerät ein Gas-Graphit-Reaktor in Brand. Es dauert drei Tage, bis das Feuer endlich unter Kontrolle ist, die Reaktorruine muss danach einbetoniert werden. Rund 500 km2 Land werden radioaktiv verseucht.

1957: Majak, Sowjetunion (heute Russland) - INES 6
Ca. 1.700 Kilometer östlich von Moskau explodiert ein Tank mit hochaktivem flüssigen Atommüll und versucht eine Fläche so groß wie ein Viertel Österreichs. Die freigesetzte Strahlung zog etwa 270.000 Menschen in Mitleidenschaft.

Erklärung zu INES:

INES 7 = Katastrophaler Atomunfall
Infolge einer meist kompletten Zerstörung der Anlage bzw. des Reaktorkerns kommt es zu einer Freisetzung von mehr als 10.000 Terabecquerel radioaktiven Materials. Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt in weitem Umfeld und gesundheitliche Spätschäden über große Gebiete.

INES 6 = Schwerer Atomunfall
Nach einer Zerstörung von Schutzbarrieren und/oder Reaktor kommt es zur Freisetzung von 1.000 bis 10.000 Terabecquerel radioaktiven Materials. Ein voller Einsatz der Katastrophenschutzmaßnahmen ist nötig.

INES 5 = Ernster Atomunfall
urch schwere Schäden an Schutzbarrieren und/oder Reaktorkern werden einige 100 bis 1.000 Terabecquerel radioaktiven Materials freigesetzt. Es werden mehrere Todesfälle infolge einer Strahlenexposition verzeichnet und einzelne Katastrophenschutzmaßnahmen müssen eingesetzt werden.

INES 4 = Atomunfall
Nach Schäden am Reaktorkern/an den radiologischen Barrieren kommt es zu einer Freisetzung von einigen 10 bis 100 Terabecquerel radioaktiven Materials und zu einer schwere Kontamination des kerntechnischen Personals, sowie mindestens einem Todesfall durch Strahlenexposition.

Martulla hat recht ... Was ist den Schweizern lieber, eine Energiestrategie die VIELLEICHT greift und von den Grünen ohne technischen Wissen und Hintergrund in den Himmel gelobt wird, vom Ausland abhängig macht, extrem teuer wird .. oder ein neues AKW mit genügender Reserve für die nächsten 100 Jahre wo man entspannt auch seine E- Autos, E-Baumaschinen, E- LKW`s usw laden kann?? Man wird ja wohl nicht glauben, dass mit dem bisschen Solar - und Windkraftanbau der Energiekonsum in der CH gedeckt werden kann.

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