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Lina Bögli in Honolulu

Hans Peter
Danuser
20.04.21 - 04:30 Uhr
BILD PIXABAY
BILD PIXABAY

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Als Kurdirektor von St Moritz hatte ich immer mal auch mit anderen Ferienorten zu tun. Kutchan/Japan, Vail/USA und Bariloche/Argentinien sind offizielle Schwesterstädte von St. Moritz. Mauritius, Sylt und Capri waren 'Partner/Inseln', mit denen wir viele Stammgäste teilten sowie gemeinsame Markt- und Medienprojekte durchzogen.

Auch zu Hawaii habe ich eine ganz besondere Beziehung, seit in den 90er-Jahren die Deutsche Reiseakademie dort stattfand, an der ich jeweils St. Moritz und den Glacier Express präsentiert hatte.

Dieser Workshop für Frontleute des Deutschen Reisebüros 'Der-Tour' war jedes Jahr ein Highlight in meiner Agenda: während gut zwei Wochen in einer attraktiven Destination persönlich 700 handverlesene Reiseprofis unseres wichtigsten Gästelandes von unseren Angeboten zu überzeugen. Während jeweils 20 Minuten in überblickbaren Zehnergruppen. Das war Knochenarbeit, aber marktnah und erfolgreich. In Sidney, Los Angeles, Peking, Dubai...moder eben Hawaii.

Und das war wirklich ganz besonders. Zuerst die 'Deutsche Logistik': über 1000 Reisespezialisten in zwei Wellen von Frankfurt nach Honolulu - nonstop, mit neuen Airbus-Fliegern. Der Empfang dort mit den beiden US-Senatoren der Inselgruppe auf rotem Teppich (für die 'Deutsche Kaufkraft'), der gesamte Tross im Hawaii Hilton an der Waikiki Beach, mit offener Riesen-Reception direkt am Strand.

Dann die Workshops im 20. Stock mit Panorama-Sicht. Alle Gruppen habe ich mit Alphorn empfangen und verabschiedet: 70 mal die Melodie 'Es gibt kein Bier in Hawaii - drum bleib ich hier' , was Deutsche natürlich sofort mitsingen.

Oder an der Pressekonferenz für amerikanische, deutsche und Schweizer Medien eine Jamsession mit Alphorn und 'Muschelhörnern', dem Hawaiier Nationalinstrument aus dem Stillen Ozean....

Solche Erinnerungen weckt meine aktuelle Lektüre - fast 30 Jahre später: Lina Bögli: «Talofa - In zehn Jahren um die Welt». Ein Buch, das ich zufällig über eine Rezension der vierten Auflage in einer Zeitung entdeckt habe.

Es ist der Bericht eine Schweizerin, die am Ende des 19. Jahrhunderts «allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Australien, Neuseeland, nach Honolulu und weiter in die USA, von San Francisco über Salt Lake City an die Ostküste reiste und sich ihren Lebensunterhalt und das Geld für die Weltreise als Lehrerin und Erzieherin verdiente». Vor rund 130 Jahren, am 14. Juli 1892, hat sie in Triest ihr erstes Schiff, die «Vorwärts» nach Brindisi bestiegen - am 12. Juli 1902 war sie wieder zurück.

«Lina Bögli, geboren am 15. April 1858 in Oschwand (Kanton Bern), war das jüngste Kind eines in zweiter Ehe verheirateten Kleinbauern, der nach dem Tod seiner ersten Ehefrau verarmte». Statt in die Schule zu gehen, arbeitete sie als Kindsmagd unter härtesten Bedingungen auf einem Bauernhof, dann als Zimmermädchen bei einer Schweizer Familie in Neapel, später bei einer gräflichen Familie im österreichischen Polen. Sie sparte eisern und bildete sich mit 28 Jahren an der Ecole supérieur in Neuchatel zur Erzieherin aus.

In ihrem Reisebericht aus Honolulu berichtet sie am 2. Oktober1897: «Ich bin vom hawaiischen Unterrichtsminister zur Lehrerin der modernen Sprachen am einzigen Gymnasium der Republik ernannt worden! Und zwar habe ich die Ehre, dieses Studium hier einzuführen, denn bisher wurde ausser Englisch nur Griechisch und Latein betrieben.» Damit wurde sie «die Mutter der deutschen und französischen Sprache in der hawaiischen Republik».

Bei dieser Stelle kam mir letzte Woche Niklaus Schweizer in den Sinn, Professor an der Universität von Hawaii in Manoa und seit Jahrzehnten Schweizer Honorarkonsul in Honolulu. Er hatte die Teilnehmer der Reiseakademie seinerzeit mit der preussisisch instrumentalisierten, weiss gekleideten königlichen Militärkapelle begrüßt und ist Engadiner Stammgast.

Per Mail fragte ich ihn an, ob Lina Bögli ihm ein Begriff sei. Zwei Tage später am, 10. April, 04.50 Uhr folgte seine Antwort:

«Ja, und Lina Bo(e)gli nimmt bei mir einen besonderen Platz ein, ist sie doch wirklich die Mutter des Unterrichts in modernen Sprachen in Hawai'i. Sie erschien auch in einer besonders kritischen Zeit und hat die Machenschaften gewisser Söhne und Enkel der neuenglischen calvinistischen Missionare voll erkannt.“

Und er fährt weiter: "Und wie geht es in St. Moritz? Konntet Ihr die Saison einigermassen retten? Das Engadin habe ich natürlich schmerzlich vermisst.

Hier schlagen wir uns einigermassen durch, mit relativ wenig Faellen, und Unterricht auf Zoom. Inseln sind von Vorteil.... 

Bleib gesund, und ganz liebe Grüsse auch an Deine Familie!

Me ke aloha mai Hawai'i mai,

Niklaus
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Wenn sie, liebe Blog-Leserin und -Leser zwischendurch Sehnsucht nach dem Meer und tropischen Inseln haben und Ihnen der aktuelle Coronakoller auf den Nerv geht, empfehle ich Ihnen die Lektüre von Talofa. Sie hat mich echt aufgestellt und zu diesem Text inspiriert.

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Lieber Herr Danuser und ehemaliger Oberleutnant von mir als untalentierter Soldat. Vielen Dank fuer den Buchtipp. Als Weltbuerger und nach bald 30 Jahren im Ausland werde ich Lina Boegli mit Freude lesen. Nur eine kleine und unbedeutende Korrektur zu Ihrem Blog. Der Schweizer Honorarkonsul in Hawaii ist seit mehreren Jahren Frau Therese Desai Ryf und nicht Herr Schweizer wie Sie erwaehnen. Aber der letztgenannte ist sicher noch immer eine Swiss grey eminence in HI! Herzliche Gruesse in das Engadin. Werner Bonadurer, CH Honorarkonsul in Phoenix, Arizona und Professor an der Arizona State University. Interessant wie man sich nach all den Jahren wieder begegnet. Dank Ihrem Blog in der Buendner Zeitung!!! (ich werde mich nie an den Titel "Suedostschweiz" gewoehnen). Gruss!