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Ist Corona ein Weckruf für die Zukunft?

Andrea
Masüger
19.04.20 - 04:30 Uhr
UNSPLASH
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In seiner Kolumne «Masüger sagts» widmet sich Andrea Masüger aktuellen Themen, welche die Schweiz und die Welt bewegen (oder bewegen sollten). Der heutige Publizist arbeitete über 40 Jahre bei Somedia, zuerst als Journalist, dann als Chefredaktor, Publizistischer Direktor und zuletzt als CEO.

Die Corona-Krise hat uns mit einem Schlag aus der Hybris des Alleskönnens herausgerissen. Wir meinten noch bis vor wenigen Wochen, absolut unbesiegbar zu sein – dank unseres hohen zivilisatorischen Levels, dank Fortschritt, Wissenschaft und Technik. Wir haben über die goldene Zukunft gefaselt. Noch Anfang Jahr war die künstliche Intelligenz der grosse Fetisch, der uns an die Unendlichkeit des menschlichen Fortschritts glauben liess: Maschinen sollten uns schon bald in unbekannte neue Welten katapultieren.

Von KI redet heute keiner mehr. Ein klitzekleines Virus hat uns brutal auf den Boden der Realität zurückgeholt. Ein mikroskopischer Störenfried aus irgend einem Dschungel oder Urwald hält uns den grossen Spiegel vor: Du bist und bleibst ein schwaches Menschlein von Fleisch und Blut. Wenn du dich zu sehr von deinem Ursprung entfernst, wirst du unsanft zurückgeholt.

Gläubige Menschen können daraus eine Art Strafe Gottes ableiten oder zumindest einen Warnruf der Schöpfung: Schuster Mensch, bleib bei deinen Leisten! Die nächste Stufe wäre dann eine neue Sintflut, die alle Türme von Babel wegschwemmt, ohne dass ein Noah mit ein paar Tierlein die Chance für einen Neuanfang bekäme. Dies könnte ein Supervirus sein, gegen den Corona bloss ein laues Lüftchen gewesen wäre.

Die Menschen denken viel nach in diesen Tagen und könnten tatsächlich auf derartige apokalyptische Gedanken kommen. Doch man kann alles auch nüchterner sehen, pragmatischer. Die Idee des Weckrufs ist dabei nicht einmal so schlecht. Könnten wir aus Corona tatsächlich etwas für die Zukunft lernen?

In erster Linie denkt man dabei an das Problem der globalen Erwärmung, das ja auch eine Bedrohung für den ganzen Planeten darstellt. Haben Corona und der Klimaschutz einen Zusammenhang?

«Haben Corona und Klima einen Zusammenhang?»

Ein solcher wird heute zumeist sehr verkürzt hergestellt. Angesichts der gigantischen durch das Virus verursachten volkswirtschaftlichen Kosten werde man künftig kein Geld mehr haben für den Klimaschutz, ist so ein Rückschluss. Der tschechische Ministerpräsident sagte dieser Tage: «Vergessen Sie den Green Deal.» Doch man sollte weiterdenken. Gibt es nicht verblüffende Parallelen zwischen beiden Bedrohungen?

Eine grosse Gemeinsamkeit besteht in der Kluft zwischen Erkenntnis und Handeln. Seit 17 Jahren kann man wissen, dass ein verheerendes neues Coronavirus auftauchen wird und den Planeten ins Chaos stürzen kann. Die entsprechenden Publikationen und Warnungen lagen alle vor. Die Regierungen dieser Welt haben erst reagiert, als Corona bereits ausgebrochen war. Genau gleich ist es beim Klimaschutz: Die ersten Berichte über Veränderungen im globalen Temperaturhaushalt erreichten die Verantwortlichen schon vor Jahrzehnten. Und heute verfügen wir erst über ein paar schönfärberische und zaghafte internationale Abkommen dagegen.

Optimisten sagen nun: Die Corona-Krise zeige, dass die Menschheit bei Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr das Steuer herumreissen könne. Der Klimaforscher Reto Knutti sieht deshalb Corona als Lehrstück für den Klimaschutz. Ähnlich haben sich Barack Obama und sogar Greta Thunberg geäussert. Der Ökonom und Zukunftsforscher Jeremy Rifkin hofft, dass die gegenwärtige Viruskrise einen «gewaltigen Bewusstseinswandel» für die Klimaprobleme auslösen werde.

Ökonomen haben berechnet, dass das Ausmass der ökonomischen und gesundheitlichen Bedrohungen der Corona-Pandemie mit jenem des Klimawandels gut vergleichbar ist. Allerdings gibt es für die Hoffnung, man würde auch vergleichbar darauf reagieren, einen grossen Dämpfer: Bei Corona trat der Schaden sofort ein, und die hohen Kosten bringen unmittelbaren Nutzen (Eindämmung der Ansteckungen, Rettung der Wirtschaft). Beim Klima ist die Zeitachse verschoben: Wir müssen etwas verhindern, das erst viel später eintritt; die Kosten liegen in der Gegenwart, der Nutzen erst in der Zukunft.

Der Mensch denkt gerne kurzfristig. Deshalb könnten wir uns schneller im alten Trott wiederfinden, als wir meinen.

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Herr Masuger, Sie vergleichen die Bedrohung der Menschheit wegen des Coronavirus mit dem Klimawechsel, eventuell, ich möchte die Bedrohung vergleichen mit vorgesehenen Maßnahmen gegen den Klimawechsel. Leute ohne Geld, we Heute, weil Sie keine Arbeit haben , oder mit wenig Geld weil der Staat und Geschäfte “ Carbon Permits” im Ausland kaufen müssen.
Schauen Sie mal zum Fenster hinaus , dann sehen Sie eventuell wie eine Welt nach Greta Thunberg aussehen wird.

Ich kann allem nur zustimmen, lese und erlebe es schon jahrelang selbst durch meinen Lebenslauf. Die Welt wird nie mehr die selbe sein und das ist gut so. Das Bewusstsein der Menschheit steigt, neue Werte werden geschaffen.

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