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Tiefste Wahlbeteiligung seit 2007

An den Wahlen haben sich weniger Bündnerinnen und Bündner beteiligt als noch vor vier und vor acht Jahren. Politologe Clau Dermont erklärt, warum viele der Urne fernblieben.

22.10.19 - 04:30 Uhr
Politik
SCHWEIZ WAHLEN 2019 FEATURE
Die Bündnerinnen und Bündner waren auch schon wählfreudiger.
KEYSTONE

Ist das noch Demokratie? Graubünden zählt 139 759 Stimmberechtigte, und davon gingen 59 990 wählen – was einem Prozentsatz von 42,9 Prozent entspricht. Das heisst: Die Mehrheit der Stimmberechtigten hat ihr Wahlrecht nicht in Anspruch genommen. Wenn man die Anzahl Stimmenden auf die Bündner Gesamtbevölkerung (inklusive Ausländer, Minderjährige und Entmündigte) runterbricht, haben im Endeffekt rund 30 Prozent der in Graubünden lebenden Personen die National- und Ständeräte für alle im Kanton bestimmt.

«Langweiliger Wahlkampf»

Nachdem die Wahlbeteiligung von 2003 bis 2015 stetig gesteigert werden konnte, hat sie nun 3,1 Prozentpunkte eingebüsst. Politologe Clau Dermont sieht zwei mögliche Erklärungen: «Es wurden in diesem Wahljahr so viele Kandidatinnen und Kandidaten wie noch nie aufgestellt. Das kann die Wählerinnen und Wähler abschrecken und sich somit eher kontraproduktiv auf die Wahlbeteiligung auswirken.»

Als zweiter Erklärungsansatz sieht Dermont den «langweiligen Wahlkampf» im Kanton. Gerade die Mitteparteien BDP, CVP und FDP hätten zu wenig stark einen dritten Sitz gefordert und dieses Ziel auch ungenügend deutlich kommuniziert. Als Vergleich zieht Dermont die Wahlen von 2011 heran, als es grosse politische Konfrontationen zwischen der BDP und der SVP gegeben und die Grünliberalen als neue Partei die Wählerschaft vermehrt an die Urnen gebracht hätte. «Ein intensiver Wahlkampf mobilisiert die Stimmbevölkerung.»

Mit Rückblick auf die Wahlen vom Sonntag – wenn man beachtet, wie knapp einige Entscheidungen ausfielen – hätte es der einen oder anderen Partei sicher helfen können, einen intensiveren Wahlkampf zu führen. Damit hätte die potenzielle Wählerschaft in grösserem Ausmass an die Urnen gebracht werden können, so Dermont.

Die «Herrschaft einiger»?

Demokratie ist die «Herrschaft aller» – sollte man in Graubünden aufgrund der tiefen Wahlbeteiligung nicht eher von einer «Herrschaft einiger» sprechen? «Ja, eigentlich schon», sagt Dermont. Er relativiert aber: «Dieses Bild erschliesst sich einem zumindest, wenn man nur eine Wahl oder Abstimmung betrachtet.» Anders sieht es bei einem längeren Zeitraum aus: Forschungsarbeiten des Politologen haben gezeigt, dass rund 80 Prozent der Bevölkerung zumindest an einer Abstimmung oder Wahl pro Legislatur teilnehmen.

Andri Nay hat Wirtschaftsgeschichte und Politikwissenschaften studiert. Er schreibt seit 2017 für das «Bündner Tagblatt» und die «Südostschweiz».

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Vielleicht gesellen sich auch immer mehr unter uns, die gar nicht Wissen, was z.B ein Jugendparlament ist, dass es das hier gibt. Zudem auch kein Wissen für die Demokratie und allgemeiner Politik in der Schweiz heisst. man darf nichts konkret sagen, sonst ist man ein Rassist oder ist Asozial. Die Wahrheit tut weh....

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