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Wie man Millennials von der Strasse fegt

Viele bunte Kugeln, ein oder sogar zwei Pensionäre – das war der Samstagabend mit Benissimo.

19.10.22 - 16:30 Uhr
Hach wie schön: Beni National moderiert ein (aller)letztes Mal «Benissimo».
Hach wie schön: Beni National moderiert ein (aller)letztes Mal «Benissimo».
Bild SRF

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

Am vergangenen Samstag hat das Schweizer Fernsehen einen seiner Pensionierten reaktiviert. Nein, halt, zwei. Beni Thurnheer (Pensionär 1) hat sich ins Fernsehstudio begeben, um nach zehn Jahren Pause wieder einmal «Benissimo» (Pensionärin 2) zu moderieren. Mir ging dabei mein Millennial-Herz auf.

An den Ausstrahlungstag der allerersten Folge «Benissimo» im Jahr 1992 kann ich mich noch erinnern. Meine Eltern, meine Schwester und ich waren damals an irgendeinem Frühlingsfest in der Nähe von Landquart und uns allen war klar, dass wir die Heimreise ins Oberland rechtzeitig antreten würden, um die erste Folge der neuen Samstagabendkiste gemeinsam beim Znacht vor dem Fernseher zu verfolgen.

Ich bin ein Kind der Samstagabendkisten-Generation – aufgewachsen mit «Wetten Dass…?», «Verstehen Sie Spass?», der «Rudi Carrell Show» und eben «Benissimo». Das waren damals richtige Strassenfeger. Ich amüsierte mich köstlich bei den verrückten Wetten, die erst von Frank Elstner, dann von Thomas Gottschalk, gefolgt von Wolfgang Lippert, wieder Thomas Gottschalk, von Markus Lanz und zum Schluss wieder von Thomas Gottschalk moderiert wurden. In meinen Zwanzigern hatte ich sogar mal einen potenziellen Wettvorschlag. Ich hätte gewettet, dass ich von den 1000 meistgespielten Songs auf meinem iPod 4 von 5 nach maximal einer halben Sekunde erkennen kann. Den Wettvorschlag habe ich dann aber doch nie eingereicht und einen iPod habe ich seit einigen Jahren auch nicht mehr.

Ganz grosses Kino waren für mich die Kurzfilme mit versteckter Kamera (heute würde man dazu «Prank Video» sagen) bei «Verstehen Sie Spass?». Diese Sendung war als Weiterentwicklung von «Teleboy» von und mit Kurt Felix entstanden. Auch wenn «Teleboy» grösstenteils vor meiner Geburt ausgestrahlt wurde, habe ich das Gefühl, eines der legendärsten Filmchen selber live am TV gesehen zu haben. Das hat aber wohl mehr mit dem Mandela-Effekt als mit tatsächlich Erlebtem zu tun. Ruft einem Ü45-Mitmenschen mal «Söll emol cho» zu und wartet die Reaktion ab.

Ich kann heute noch die vom Namensgeber gesungene Titelmelodie der «Rudi Carrell Show» in eher schlecht nachempfundenem holländischem Akzent mitsingen und bei «Nase vorn» denke ich eher an Frank Elstner als an Pablo Escobar.

Nichtsdestotrotz: Die Zeit der regelmässig ausgestrahlten Samstagabend-Kisten ist vorbei. Es gab zwar ein einmaliges Revival von «Benissimo», das dann beim Publikum auch mehrheitlich gut ankommt – ausgenommen die üblichen miesepetrigen Statements der Twitter-Community – und auch «Wetten Dass…?» wird einmal jährlich noch über die Bildschirme flimmern. «Verstehen Sie Spass» gibts zwar noch regelmässig. Seit Kurt und Paola Felix und Karl Dall nicht mehr dabei sind, habe ich aber keine einzige der Sendungen verfolgt.

Jüngere Generationen mögen es uns Alten verzeihen, wenn wir hin und wieder in Erinnerungen schwelgen und uns darüber freuen, dass wir uns einmal im Jahr auch beim Live-TV-Schauen jünger fühlen können. Wir sind dann dafür auch schnell wieder überfordert mit der Welt, dem Leben und der Generation Z, und diese kann sich dann auf Tiktok darüber auslassen. Versprochen.

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