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Ein bisschen Nostalgie muss sein

1000 «Töfflimaitla» und «Töfflibuaba» haben sich von Chur aus auf den Weg ins Tessin gemacht. Ich war eine davon. Ein besonderes Erlebnis.

Nicole
Nett
15.06.22 - 16:34 Uhr
Bereit für die lange Reise: 1000 «Töfflimaitla» und «Töfflibuaba» feiern die Nostalgie bis heute.
Bereit für die lange Reise: 1000 «Töfflimaitla» und «Töfflibuaba» feiern die Nostalgie bis heute.
Bild Nicole Nett

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

Ein lautes Rattern erschallt um 7 Uhr das Churer Postautodeck. Hunderte Töfflimotoren laufen heiss. Insgesamt machen sich 1000 «Töfflimaitla» und «Töfflibuaba» bereit, anlässlich der traditionellen Waazzoouu-Töfflitour von Chur über den San-Bernardino-Pass nach Ascona zu tuckern. Ich bin eine davon. Hier ein paar Impressionen von der Tour:

Kaum im Sattel, kommen schon erste Kindheitserinnerungen in mir hoch. Wie sehr habe ich mich als 14-Jährige gefreut, endlich mit meinem eigenen Töffli in die Oberstufe zu flitzen. Das war für alle Schülerinnen und Schüler immer das grosse Highlight. Denn das Postauto fuhr – wenn überhaupt – nur jede Stunde einmal. Mit dem Töffli war man eben flexibler – und ein bisschen cooler. Damals dachte ich, der Töfflikult sei nur bei unserer Schule eine Tradition. Oh nein – da habe ich mich aber stark geirrt. Diese Tradition geht bis heute über alle Landesgrenzen hinaus und boomt je länger je mehr.

So nehmen an der Waazzoouu-Tour ins Tessin nebst Teilnehmern aus Graubünden auch Zweitakt-Fanatiker aus anderen Kantonen wie Aargau und Thurgau teil. Es sind aber auch Fans aus Grossbritannien oder den Niederlanden dabei. Die Faszination ist riesig – von Jung bis Alt.

So riesig, dass die Organisatoren der Waazzoouu-Tour nun die Reissleine ziehen müssen. Gestartet hat alles einmal mit neun Töfflis im Jahr 2014. Eine kleine Truppe fuhr damals also von Chur nach Ascona. Doch dieses Jahr stiessen die Organisatoren mit 1000 Töfflis an ihre Kapazitäts- und Bewilligungsgrenzen. Leider.

Dass so eine Tour nicht gerade umweltbewusst ist, ist wohl allen klar. Aber sie findet nur einmal pro Jahr statt und ist schon längst zur Tradition geworden. Deshalb ist es schade, dass diese Tour nun die Letzte war.

Die Fahrt war immer ein tolles Erlebnis, und man fühlte sich miteinander verbunden. So half man sich, wenn einer mal eine Panne hatte. Man tauschte Werkzeuge und Ersatzteile aus – das gehörte dazu. Am Schluss sollte immer jede und jeder im Ziel ankommen. Am Ziel genoss man die Zeit miteinander und stiess auf die letzten 156 Kilometer an.

Aber es war nicht nur das Gemeinschaftsgefühl. Auf irgendeine Art und Weise hatten alle einen persönlichen Bezug zum Töffli. Die meisten – wie auch ich – verbinden das Fahrzeug mit der Jugend. Andere sind erst später auf den Geschmack gekommen. Dennoch spürte man bei allen eine gewisse Leidenschaft.

Besitzt ihr ein Töffli?

Auswahlmöglichkeiten

Es macht einfach Spass, mit 30 km/h (oder vielleicht ein bisschen mehr) durch die Gegend zu fahren. Ist man mit dem Auto unterwegs, fährt man schneller und realisiert die Umgebung weniger. Ich zumindest muss mich beim Autofahren immer stark auf die Strasse konzentrieren. Beim Töfflifahren hingegen ist man gelassener. Man behält den Überblick und lässt die Gegend langsam an einem vorbeiziehen. Ausserdem kann man während der Fahrt den Gedanken freien Lauf lassen, da man nicht abgelenkt ist. Denn man muss die Hände immer an den Griffen behalten, sonst fällt man früher oder später hin.

Ich weiss, die Meinungen klaffen bei der Töffli-Thematik auseinander. Für die einen ist es zu unnötig, kindisch und umweltschädlich. Dennoch ist es für sehr viele Leute zu einer ganz besonderen Tradition geworden. So steigen auch die Preise für ein Töffli von Jahr zu Jahr. Ein Töffli hat früher gerade einmal 500 Franken gekostet. Heute kann es ohne Weiteres für 2000 Franken oder mehr verkauft werden. Denn die Nachfrage ist riesig – wie der Boom auch.

Obwohl die offizielle Waazzoouu-Töfflitour von Chur bis nach Ascona im nächsten Jahr nicht mehr stattfindet, so hoffe ich, dass diese Tradition noch weiter leben wird. Vielleicht mit anderen, kleineren Touren. Ich werde all diese Töfflireisen in der warmen Tessinerluft jedenfalls in bester Erinnerung behalten. Es war Kult. Es war Nostalgie. Es war einzigartig.

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Finde es auch schade dass es die letzte Tour sein sollte aber das Highlight in Ascona auf die Seepromenade zu fahren fehlte, sehr schade vielleicht was anders

……und es hat endlos geknattert auf der Kasernenstrasse,. Ich habe mich sehr gefreut, dass es soooo viele sind, die nun aufbrechen zu dieser speziellen Reise. und diesem Abenteuer. Schade, dass es die Letzte war..

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