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Das Streben nach Glück

Single
Bock
14.10.20 - 19:22 Uhr

Bau ein Haus, pflanz einen Baum, mach ein Kind – dass dieser Lebensentwurf nicht zwangsläufig auf jeden Menschen zugeschnitten ist, beweisen die anonymen Liebesbriefe ans wunderschöne, elende Single-Leben. Ein Hoch auf Selbstgespräche, Dosen-Ravioli und Liebeleien.

Wir Menschen sind komisch! «Dä Hans im Schnäggaloch het alles, was er will. Und was er will, das het er nid und was er het, das will er nid. Dä Hans im Schnäggaloch het alles, was er will.» Hans kann also eigentlich gar nicht glücklich werden. Nun stellt sich mir die Frage: Sollten wir denn überhaupt je glücklich werden?

Hans und ich sind uns sehr ähnlich. Es ist so ein Ding, das mit dem Streben nach Glück. Einerseits ist es unsere Antriebsfeder. Wer nach Glück sucht, bleibt, zumindest vordergründig, nicht stehen. Das Streben nach Glück ist in der amerikanischen Verfassung als gottgegebenes Recht festgehalten. Also haben wir das Glück gefälligst auch zu jagen.

Mit dem Glück und dem Streben danach beschäftigen sich die Menschen seit jeher. Die wichtigsten – sozusagen die intellektuellen Influencer ihrer jeweiligen Epoche – haben sich auch ausführlich dazu geäussert. Von Platon über Aristoteles und Epikur hin zu Kant, Schopenhauer und Nietzsche. Die Suche nach dem Glück ist wohl einer der grössten Antriebe der Menschheit. Ich glaube, dass unser Streben nach Glück dafür sorgt, dass wir uns verändern und weiterentwickeln.

Was aber, wenn wir unser Glück dann irgendwann mal gefunden haben? Bleiben wir dann einfach stehen, sind glücklich und sterben irgendwann nach einem glücklichen Leben? Wohl kaum. Ich glaube wir finden immer wieder neue Gründe, warum wir mit unserem aktuellen Sein unzufrieden sein könnten. Mal im Grösseren, mal im Kleineren.

So geht es auch Hans. Er könnte ja eigentlich glücklich sein mit dem, was er erreicht hat. Ist er aber nicht. Er entdeckt irgendwo irgendwas, das ihn wohl noch glücklicher machen könnte. Je mehr er sich darauf konzentriert, desto unglücklicher ist er mit dem, was er hat.

Mir geht es oft wie Hans. Ich merke, wie ich mir immer wieder selber den Weg zum (vermeintlichen) Glück verbaue. Mir passiert das ständig. Wir streben nach Glückseligkeit – aber bitteschön nur derjenigen, die wir nicht unbedingt haben können. Wir wollen Liebe von Menschen, die sie uns nicht geben können und verschmähen diejenige, die wir haben könnten.

Das Thema mit Hans in seinem Schneckenloch ist in den vergangenen Wochen ein paar Mal durch meine Gedanken gegeistert. Ich hatte jemanden kennengelernt und mich ein paar Mal mit ihr getroffen. Dabei habe ich festgestellt, dass ich meine emotionale Handbremse angezogen hatte. Das war hier im Blog schon Mal Thema. Ich habe mir in den vergangenen Jahren – wohl aus Selbstschutz – angewöhnt, die Entwicklung meiner Gefühle zu bremsen. In jüngeren Jahren war das anders. Da habe ich mich jeweils in meine Verliebtheit reingesteigert und bin dann immer mal wieder aus grosser Höhe (mindestens sieben Wolken hoch) unsanft auf dem Boden der Realität gelandet. Die Reinsteigerei habe ich mir abgewöhnt. Damit schütze ich mich, verhindere aber auch das tolle Gefühl der Verliebtheit. Das war in oben erwähntem Fall auch so. Bis zu dem Zeitpunkt, als mir die Dame eröffnet hat, dass das mit uns wohl nichts werden wird. Meine erste Reaktion war ziemlich gelassen und verständnisvoll. Als ich dann aber mit meinen Gedanken alleine war, hat mich das Ganze viel mehr geärgert und ich habe der verpassten Liebes-Möglichkeit nachgetrauert. Nix mehr Handbremse. Viel mehr Bedauern.

Es ist eine verfluchte Krux mit mir, Hans und unseren Befindlichkeiten. Vielleicht ist es aber schon mal nicht schlecht, wenn zumindest ich mir mal Gedanken dazu mache, wie ich glücklich werde, mit dem, was ich habe. Wie ich aufhören kann, mich nach Unerreichbarem zu verzehren und wie ich mich stattdessen darüber freuen kann, wenn etwas Tolles, Schönes und Liebliches in mein Leben tritt – auch wenn es vielleicht nur für kurze Zeit ist.

Wenn ich Hans das nächste Mal sehe, spreche ich ihn auf die Problematik an. Versprochen. Und wenn wir zu einem sinnvollen Schluss kommen, dann erzähle ich euch davon. Auch versprochen.

Passt auf euch auf.

Euer Singlebock

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