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Der Sternstunden sind wenige

Dario
Morandi
08.10.17 - 04:30 Uhr
Grosser Rat August 2017
YANIK BÜRKLI

In loser Folge berichten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Medienfamilie Südostschweiz aus ihrem journalistischen Alltag. Willkommen in unserem Glashaus!

Vor vielen Jahren hat mich ein Chefredaktor als «vollkommen unpolitisch» bezeichnet. Das mag so gewesen sein, weil mich die Politik im zarten Alter von 26 Jahren offengestanden nicht sonderlich interessierte. Das änderte sich aber schlagartig, als der Unpolitische von der Redaktion ins kalte Wasser geschubst – pardon, zwecks Berichterstattung in den Bündner Grossen Rat beordert – wurde. Damals wurden in der «Bündner Zeitung» noch protokollartige Artikel veröffentlicht, in denen wir Journalisten sämtliche Voten der Grossrätinnen und Grossräte im Wortlaut wiedergeben mussten. Und weil sich unsere geschätzte Leserschaft bei der Lektüre der Texte binnen Sekunden in Morpheus Armen wiederfand, wurde später auf diese Form der Berichterstattung verzichtet. Sehr zum Ärger von vielen Deputierten, die ihren Namen danach nur noch dann in der Zeitung wiederfanden, wenn sie etwas Substanzielles zur Debatte beigetragen hatten.

Letzteres sorgt gelegentlich selbst heute noch für Zoff. Finden die Voten der Grossrätin A, des Grossrats B oder gar eines Regierungsmitglieds nicht zeilenstark Eingang in die Zeitungsspalten, deponiert die eine oder der andere eine Protestnote auf der Medientribüne. Ist ja irgendwie verständlich. Vor allem vor Wahlen wollen Regierungs- und Volksvertreter ja den Beweis erbringen, dass sie im Rat etwas zu bewegen vermögen. Oft ist das aber nur der Finger, um das Mikrofon auf dem Pult einzuschalten. Entsprechend schwierig wird eine spannende Berichterstattung, wenn viele das nachplappern, was der Kommissionspräsident bereits wortreich von sich gegeben hat, und keine neuen Aspekte eingebracht werden. In all den Jahren gab es im Grossratssaal nur einige wenige rhetorische Sternstunden mit spannenden Auseinandersetzungen. So gesehen gehört die Ratsberichterstattung nicht zur Lieblingsbeschäftigung von uns Journalistinnen und Journalisten.

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