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Ich wollte doch nur die Butter haben

16.03.21 - 04:30 Uhr

Jeweils weit über eine halbe Million Katzen und Hunde leben in der Schweiz – ein Teil von ihnen bei Mitgliedern der Redaktion. Im Blog «Hund und Katz» erfahrt ihr, wie das Zusammenleben von Redaktorinnen und Redaktoren mit Katzen und Hunden funktioniert.

 «Kannst du mir mal die Butter reichen?», fragte ich meinen Mann beim Sonntagsbrunch an einem Herbstmorgen 2019. Anstatt der Butter erhielt ich eine Gegenfrage: «Kann man Katzen eigentlich auch als Wohnungskatzen halten? Also, wenn es mindestens zwei sind?», wollte er wissen. Immer noch zur Butter linsend antwortete ich abwesend: «Ja, aber nur, wenn sich die Katzen keinen Freigang gewöhnt sind.» Ich streckte fordernd meine Hand nach der Butter aus. «Dann lass uns doch zwei Katzen aufnehmen», sagte mein Mann, der mir die Butter noch immer nicht gereicht hatte. «Okay! Kann ich jetzt die Butter haben?», beendete ich dieses Gespräch, hungrig und in der Überzeugung, dass er das sowieso nicht ernst meint.

Nun, Ende Dezember 2019 zogen Cola und Sprite bei uns ein. Die beiden Kätzchen wurden in einem Hühnerstall in der Umgebung geboren und verbrachten ihre ersten Monate dort, ohne den Stall jemals wirklich zu verlassen. Mit viel Geduld gewöhnten wir die scheuen Katzen an uns. Nach etwa einem Monat hatten wir die Beiden so weit, dass sie sich von uns anfassen liessen. Diesen Erfolg machte schliesslich ein Churer Tierarzt zunichte, als er bei der Entwurmung der beiden Kätzchen unvorstellbar grob und rabiat vorging. Seither meiden Cola und Sprite alle Menschen ausser mich und meinen Mann. Kaum ein Fremder wird sie wohl länger als zwei Sekunden zu Gesicht bekommen, geschweige denn jemals anfassen können. Einzig eine meiner Redaktionskolleginnen konnte zu Sprite so etwas wie eine Beziehung aufbauen.

Die Angst vor Fremden konnten wir Cola und Sprite nicht mehr komplett nehmen. Auch nicht, als wir im Herbst 2020 beschlossen, Allegra aufzunehmen, eine Katze die bereits sozialisiert worden war und vom Charakter her mutig und zutraulich sein sollte. Allegra zog mit Pauken und Trompeten bei uns ein. Ihre erste Amtshandlung bestand darin, Sprite als Anführerin abzulösen und das Kommando über die älteren Katzen zu übernehmen. «Legers», wie wir Allegra liebevoll nennen, fordert uns sehr. Sie hat einen sehr sturen Kopf und lässt sich nicht wirklich erziehen. Ausserdem kann sie ganz schön laut sein. Allegra maunzt immer. Sie maunzt, wenn sie Hunger hat, wenn sie unzufrieden ist, wenn sie stolz auf ihr frisch gemachtes Häufchen ist, wenn sie spielen will und auch wenn sie besonders gute Laune hat. Manchmal maunzt sie sogar im Schlaf. Allegra ist laut und furchtlos. Kein Mensch, kein Haushaltsgerät und keine nach ihr greifenden Hände machen ihr Angst. Sie zeigt Cola und Sprite jeden Tag, dass es nichts gibt, wovor sich eine stolze Katze fürchten muss. Und es funktioniert. Sprite hat begonnen, den Besuch heimlich zu beobachten – aus sicherer Distanz linst sie jeweils hinter der Couch hervor. Die beiden älteren Katzen haben ausserdem gelernt, dass sie es sich auf uns Menschen gemütlich machen können. Auch das haben sie sich von Allegra abgeschaut.

Für nichts in der Welt würde ich unsere drei Katzen hergeben – welcher nicht komplett herzlose Tierbesitzer würde das schon tun. Wenn ich aber daran zurückdenke, dass dieser eine Brunch im Herbst 2019 zu drei Katzen führte, dann kann ich es manchmal immer noch nicht fassen. Denn eigentlich wollte ich doch nur kurz die Butter haben.

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