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Ziehen ist doch verboten?

Liebe Leserinnen und Leser, inzwischen bin ich gut zwei Jahre alt und berichte seit meinem Einzug bei Vali Meier, dem Rettungschef auf dem Jakobshorn, im Januar 2020 an dieser Stelle regelmässig von meinen Erlebnissen.

Barbara
Gassler
08.05.22 - 12:12 Uhr
Leben & Freizeit
Naira posiert im Schnee. Leider existiert kein Bild von ihrer neuen Aufgabe als Schlittenhund. Doch sowie wieder genügend Schnee liegt, wird weitergeübt, und dann sollte auch ein Foto entstehen.
Naira posiert im Schnee. Leider existiert kein Bild von ihrer neuen Aufgabe als Schlittenhund. Doch sowie wieder genügend Schnee liegt, wird weitergeübt, und dann sollte auch ein Foto entstehen.
zVg

Vali findet, ich müsste schon lange Lawinenhund sein. Denn wenn es darum geht, Menschen unter dem Schnee aufzuspüren, bin ich mit grosser Begeisterung dabei. Und das ist die Aufabe eines Lawinenhundes, so viel habe ich begriffen. Also waren Vali und ich im April erneut in ­Alpnach. Da waren wir im Oktober schon einmal gewesen. Einstiegsprüfung für die Lawinenhundeausbildung hiess der Anlass, und ich hatte nicht bestanden. Zwar hatte ich drei der vier Auf­gaben mit Bravour gelöst, doch als ich auf Valis Geheiss zu einem winkenden Statisten laufen sollte, wusste ich nicht wohin, und offenbar ist das ein ganz wichtiger Teil der Prüfung. Vali findet das zwar nicht und schimpft, dass ich diese Aufgabenstellung als Lawinenhund nie brauchen ­würde. Doch für die Aufnahme in den Kurs scheint sie unverzichtbar zu sein. Also präsentierten wir uns im April erneut, und das Resultat war wieder das gleiche. Ich verstand, dass ich zu Menschen laufen sollte und lief zu den Zuschauern. So verpasste ich den Statisten, der eigentlich auf mich wartete. Vali war ziemlich enttäuscht und führte den Irrtum auf mein schlechtes Auge zurück. Doch aufgeben will er nicht und plant, im Herbst einen neuen Anlauf zu nehmen: «Bis dahin müssen wir einen Weg finden, die Aufgabe anders zu trainieren. Einen, der über die Nase führt.»

Zwangspause

Mir soll es recht sein, denn Training macht Spass, und es gibt dabei immer ganz viele Leckereien zu verdienen. Allerdings hatte ich kürzlich eine Pause, weil ich mir das linke Vorderbein aufgeschlitzt hatte. Eigentlich war ich einfach mit ­Seraina sowie den anderen Hunden unterwegs gewesen, und wir tollten herum. «Madame Vollgas» pflegt mich Vali in solchen Momenten ­liebevoll zu schimpfen. Irgendwie kam ich dabei an der scharfen Kante eines hervorstehenden Blechs an. Als ­Seraina das Blut bemerkte, war die Aufregung natürlich gross, und wir fuhren wieder einmal zum Tierarzt, wo das Bein genäht wurde und ich einen Verband verpasst bekam.

Beim Suchen mit der Nase spielt Nairas Sehvermögen keine Rolle.
Beim Suchen mit der Nase spielt Nairas Sehvermögen keine Rolle.
zVg

Ziehen oder nicht, ist hier die Frage

Nachdem die Wunde verheilt war, dachten sich meine Menschen wieder etwas Neues aus. Vali sagte, dass er das mit meiner Vorgängerin auch schon gemacht und so Brennholz aus dem Wald geführt habe. Also bekam ich ein Geschirr angelegt, an dessen Seiten zwei lange Stecken befestigt waren. Hinten waren sie an einem Schlitten angebunden. So stand ich nun zwischen den Stecken und verstand die Welt nicht mehr. Seraina hielt mir eine verlockende Leckerei vor die Nase und ermunterte mich, zu ihr zu kommen. Doch jedes Mal, wenn ich mich bewegte, spannte sich das Geschirr, und hinter mir knirschte es verdächtig. So wedelte ich mit dem Schwanz, setzte mich hin und stand wieder auf, winselte und versuchte alles, um herauszufinden, was die Menschen dieses Mal von mir wollten. Dass ich ziehen soll, wurde mir erst nach mehreren Versuchen klar, denn vorher waren die Menschen immer ganz klar gewesen: Ziehen an der Leine ist ­tabu. Ausserdem merkte ich nach einigen Versuchen, dass ich mich vor dem Knirschen hinter mir nicht zu fürchten brauche. Inzwischen sind wir soweit, dass Vali einige Stecken auf den Schlitten legen kann, und ich das Gewicht vergnügt ziehe. Vali ist auf jeden Fall begeistert, und ich habe wieder etwas Neues gelernt.

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