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Wie ist das mit den Steuern?

Kürzlich wurde von Steuerzahlern gleich zwei Mal gefordert, dass die Gemeinde doch den Steuerfuss senken solle. Schliesslich sei genügend Geld vorhanden. Die «Davoseri» unterbreitete in einem schrift­lichen Interview die Fragen Landammann Philipp Wilhelm.

Barbara
Gassler
16.08.22 - 07:27 Uhr
Leben & Freizeit
Landammann Philipp Wilhelm zieht eine Steuerfusssenkung auf 2024/25 in Betracht.
Landammann Philipp Wilhelm zieht eine Steuerfusssenkung auf 2024/25 in Betracht.
zVg

DZ: In zwei Leserbriefen in der DZ wurde kürzlich eine Senkung des Steuer­fusses der Gemeinde verlangt. Angesichts der anziehenden Inflation ist das doch eine gute Idee? Denn von der öffentlichen Hand wird erwartet, sich antizyklisch zu verhalten.

Philipp Wilhelm: Diese Diskussion haben wir im Dezember und im März mit dem Parlament eingehend geführt. Dabei haben wir zum Ausdruck gebracht, dass wir eine sinnvolle und nachhaltige Entlastung der Bevölkerung prüfen werden. Der Kleine Landrat und die Mehrheit im Grossen Landrat waren sich aber ebenso einig, dass der Zeitpunkt für eine fixe Entlastung über den Steuerfuss jetzt klar zum falschen Zeitpunkt kommt.

Warum? Erstens: Mit dem Projekt zur Neugestaltung des Ortszentrums von Davos Dorf erhalten wir die einmalige Chance, die Verkehrsschnittstellen im Zentrum von Davos Dorf neu zu organisieren und einen seit Langem von vielen Seiten ersehnten attraktiven Ankunftsort in Davos zu gestalten. Die Kosten sind allerdings noch zu eruieren. Daran arbeiten wir auf Hochtouren und werden das Projekt im kommenden Jahr mit der Bevölkerung diskutieren. Zweitens: Auf der anderen Seite wirkt sich die Covid-Pandemie verzögert auf unsere Kasse aus, und mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine und der vieldiskutierten Strommangellage kommen weitere internationale Krisen hinzu. Da ist es wichtig, finanziell flexibel zu sein, um eben antizyklisch agieren zu können. Und genau da ist eine Steuerfusssenkung nicht das geeignete Mittel. Denn einmal gesenkt, kann eben nicht so schnell wieder erhöht werden. Das zeigen Beispiele aus anderen Gemeinden.

Das heisst aber auch nicht, dass wir nicht entlastet hätten – im Gegenteil: Mit beachtlichen Mitteln konnten wir in den bisherigen Krisenjahren dank der erwähnten Flexibilität ganz gezielt dort helfen, wo es jeweils nötig war: Die Davoser Betriebe erhielten im zweiten Covid-Jahr einen TFA-Rabatt, dem Kongresswesen konnte Sicherheit geboten werden, da es lange stillstand, und dem HCD, der zwei Mal in Folge ohne Spengler Cup auskommen musste, konnten wir einen Sanierungsbeitrag gewähren. Aktuell blicken wir bereits auf den kommenden Winter. Da werden uns neben der Frage einer weiteren Covid-Welle die Energiepreise beschäftigen. Wir stehen in engem Kontakt mit unserem EWD, und es ist nicht auszuschliessen, dass auch in dieser Hinsicht eine gezielte Entlastung notwendig werden wird. Es ist darum sehr richtig, dass wir im Moment die Mittel für die Entlastung nicht einseitig in einer Steuerfusssenkung binden, sondern dass wir sie gezielt einsetzen können, falls es noch einmal nötig wird. Wir bleiben aber dabei: Wir werden spätestens auf das Budgetjahr 2025 eine Entlastungsvorlage ausarbeiten und mit dem Grossen Landrat diskutieren. Bis dann haben wir Klarheit über die Investitionslage und über den Schaden der aktuellen Krisen.

Ein Gewinn im 2021 von 23,57 Millionen Franken macht doch ein «ansehnliches Fettpolster», meint der eine ­Leserbriefschreiber. «Da sollte die ­Gemeinde doch Verantwortungs­bewusstsein für die KMU, den Mittelstand und weniger Begüterte haben». Dagegen ist nichts einzuwenden.

Diese Verantwortung haben wir wie oben erwähnt sehr gezielt wahrgenommen und tun dies auch in Zukunft. Aber Achtung! Die Aussage, dass der oben erwähnte «Gewinn» zu einem grossen Fett­polster führt, ist falsch. In unseren Mitteilungen haben wir auf diese Präzisierung grössten Wert gelegt, die GPK hat in der Beratung der Jahresrechnung 2021 im Grossen Landrat darauf hingewiesen, und auch die Davoser Zeitung und die Südostschweiz haben darüber eingehend berichtet. Denn fast 9 Millionen Franken im erwähnten Betrag sind rein buchhalterische Posten: das Einbuchen des Mehrwerts unserer neu bewerteten Liegenschaften im Finanzvermögen (+2.5 Mio.) und die Einbuchung unseres GEVAG-Anteils (6.135 Mio.) über die Erfolgsrechnung. Das machen wir nicht aus Lust und Laune, sondern es ist eine Vorgabe des Kantons. Dafür fliesst aber leider kein einziger Franken mehr oder weniger in die Kasse beziehungsweise auf ein Bankkonto. Bereinigt landen wir damit bei einem Gesamtergebnis, das jenem der Vorjahre entspricht (2020 = 13.44 Mio. Franken). Wegen weiterhin hoher Investitionen sind auch die Flüssigen Mittel ­Ende 2021 praktisch gleich hoch wie ­Ende 2020, ebenso die Darlehensschulden, welche mit 99 Millionen Franken doch deutlich über dem Wert der Mehrheit anderer Tourismusgemeinden liegen und spätestens mit dem Anstieg des Zinsniveaus wieder mehr laufende Mittel binden werden. Und wenn wir das betriebliche Ergebnis 2021 anschauen (9.45 Mio. Franken), liegen wir gar etwas unter dem Wert des Jahres 2020 (10.26 Mio. Franken). Die Sachlage hat sich also nicht einfach drastisch verändert.

Positiv ist sicher, dass wir alle Investitionen aus eigener Kraft tätigen konnten. Genau das haben wir immer betont, dass das sehr wichtig ist. Denn wenn wir den Finanzplan der kommenden Jahre betrachten, dann zeigt dieser, dass wir genau solche Ergebnisse brauchen, um die ordentlich geplanten Investitionen tätigen und die unmittelbar anstehenden Aufgaben erledigen zu können. In genau diesem Finanzplan ist übrigens ab 2025 auch die erwähnte Entlastung vorgesehen und eingeplant. Wir haben dem Grossen Landrat in Aussicht gestellt, spätestens im Jahr 2024 eine Vorlage zu unterbreiten, welche eine sinnvolle und nachhaltige Entlastung der Bevölkerung bewirkt.

Wichtig zu wissen ist aber: Der Finanzplan beziehungsweise die darin abgebildete Investitionstätigkeit wird über die kommenden Jahre einen Grossteil der vorhandenen Guthaben aufbrauchen – und wir stehen dann immer noch vor der Herausforderung der Finanzierung der Neugestaltung von Davos Dorf und eines allfälligen Agglomerationsprogramms. Abgesehen davon ist heute noch offen, welche Investitionen an unserem Spital noch anstehen, und in welchem Mass wir uns einen Ausbau der touristischen Infrastruktur leisten können. Ich bin optimistisch, dass wir weiterhin zukunftsgerichtet investieren können. Aber dazu braucht es gut überlegte Finanzentscheide zum richtigen Zeitpunkt, und dazu sollten wir eben nicht voreilig von einem Finanzplan abweichen, den es im Verlauf des kommenden Jahres weiter zu konkretisieren gilt. Diese Sicht hat auch die Mehrheit des Grossen Landrats so geteilt.

Über die Liegenschaftssteuer und durch Neubewertung der Liegenschaften treibe die Gemeinde zusätzliches Geld ein, das dem Mittelstand nun ­fehle, beschwert sich der andere Leserbriefschreiber. Warum wird das ­gemacht?

Man muss wissen: Die Neubewertung der Liegenschaften ordnet nicht die Gemeinde an. Diese nimmt der Kanton von Gesetzes wegen circa alle 10 Jahre vor. Als Gemeinde sind wir davon auch nicht gefeit. Die oben erwähnten 2.5 Millionen Franken, welche wir einbuchen mussten, die uns aber keine Einnahmen brachten, sind genau diesem Vorgang nachgelagert. Es ist aber klar, dass die Neubewertungen zu Mehreinnahmen bei der Gemeinde führen. Auch darüber haben wir mit dem Parlament diskutiert. Und auch hier macht es Sinn, zunächst das Ausmass der Mehreinnahmen abschätzen zu können. Denn auch diese sind heute noch nicht abschliessend bekannt. Die Neubewertungen laufen gemäss Kanton bis Ende 2023 – und betreffen im Übrigen alle Gemeinden, nicht nur Davos. Auch diese Entwicklung spricht aber klar dafür, dass wir mit einer Entlastungsvorlage noch ein, zwei Jahre zuwarten, damit wir keine Schrauben überdrehen und damit Regierung, Parlament und Bevölkerung mit genügend Sichtweite und Wissen über die künftigen Ausgaben und Einnahmen ihre Entscheide fällen können.

Beide Leserbriefschreiber warnen vor unbedachten Wünschen, die das viele Geld auslösen könnte. Besteht diese Gefahr?

Wir sind alles andere als unbedacht unterwegs. Wir haben klare Legislaturziele, planen an zukunftsorientierten Investitionen und verfolgen dazu einen klaren Investitionsplan, den wir laufend aktualisieren. Darin sind keine unbedachten Wünsche enthalten. Die Investitionen sind vielmehr so gewählt, dass sie die Lebensqualität, die Lebendigkeit und die Wertschöpfung in Davos halten und verbessern. Wichtig ist sicher – und ich teile hier die Ansicht der Schreibenden: Am Finanzplan gilt es festzuhalten, damit der Haushalt nicht wie vor rund 15 Jahren aus dem Lot gerät. Das ist aber genau der Grund, weshalb ich überzeugt bin, dass es richtig ist, mit der Entlastung noch zuzuwarten.

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