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Was das «Cordon Bleu» mit einer Geliebten, einem Schiffskoch und dem Ort Brig zu tun hat

Wissen ist Macht – und manchmal einfach auch unglaublich unterhaltsam. In unserer Serie «SOwas!» liefern wir euch regelmässig (un)nütze Erklärungen und Kuriositäten zum Staunen und Schmunzeln.

Anna
Panier
09.10.21 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Das «Cordon Bleu» gehört zu den beliebtesten Speisen in der Schweiz. 
Das «Cordon Bleu» gehört zu den beliebtesten Speisen in der Schweiz. 
Bild Pixabay / Bearbeitung Südostschweiz

Eine knusprige gold-gelbe Panade, würziger Käse, Schinken und saftig muss es auch sein – das perfekte «Cordon bleu». Dem einen oder anderen Fleischliebhaber (es gibt «imfall» auch vegetarische Varianten) läuft sicherlich schon beim Gedanken an das panierte Fleischstück das Wasser im Mund zusammen. In der Schweiz gehört das gefüllte «Plätzli» zu den wohl beliebesteten Klassikern aller Zeiten.

Aber woher stammt eigentlich der Fleischspeise und gibt es überhaupt das eine «Cordon bleu»-Originalrezept? Klar ist, so bescheiden das Fleischstück ist, so komplex ist wiederum das Netz aus Legenden, Mythen und Hinweisen rund um das «Cordon bleu» und seiner Entstehung. Manchen der Spuren sind wir extra für Euch gefolgt.

Die Theorie von Frankreich 

Für die erste Legende müssen wir die Zeit um einige Jahrhunderte zurückdrehen. Wir schreiben das 16. Jahrhundert. Gerade gründete der König von Frankreich, Henri der Dritte, den «Ordre des Chevaliers du Saint Esprit». Der Orden verteilte das damalige Landesoberhaupt nur an etwa acht Dutzend Adeligen, die ihm ehrenvoll zur Seite standen. Gemäss verschiedensten Quellen war auch ein «Cordon bleu» Teil des Ordens. Keine Sorge, das Ehrenzeichen wurde etwa nicht mit einem Stück Fleisch den Trägerinnen und Träger angehängt, sondern mit einem blauen Band, welches in der französischen Sprache als «Cordon bleu» beschrieben wird. Soweit so gut. Nun ist noch unklar, in welchem Zusammenhang das blaue Band mit dem panierten Fleischstück steht.

Um das aufzuklären, müssen wir nochmals an der Uhr drehen, bis in die Zeit zwischen 1715 und 1774. Nun herrscht König Louis der 15. über die Grande Nation. Wie wohl üblich zu dieser Zeit hatte der König eine Geliebte, die Gräfin Dubarry. Liebe geht bekanntlich ja durch den Magen, das wusste wohl auch das Staatsoberhaupt. Er war gar so glücklich mit seiner Dubarry, dass er der Köchin seiner Geliebten den blauen Orden verlieh.

Sie soll es auch gewesen sein, die das «Cordon bleu», wie wir es heute kennen, erfunden hat und dass, obwohl das gefüllte Schnitzel in keinem französischen Kochbuch erwähnt wird. Ob an dieser Legende also wirklich was dran ist? Wahr ist jedenfalls, dass seit dieser Zeit sehr gute Köchinnen und Köche im französischen Sprachgebrauch als «Cordon bleu»bezeichnet werden. Und für ein perfektes «Cordon bleu» braucht es ja immerhin auch sehr gute Kochkenntnisse oder?

Ideenreiche Köchin als Erfinderin

Weg von Frankreich, dem König und seiner Geliebten und zurück zum Anfang. Die Spuren einer weiteren Entstehungsgeschichte führen nämlich zu uns. Richtig gelesen, nicht nur das bekannte Kräuterbonbon «Ricola» soll in der Schweiz seine Anfänge genommen haben. So habe einst der pensionierte Küchenchef und Kochlehrer Otto Ledermann die Entstehungsgeschichte des «Cordon Bleu» von seinem Schwager gehört. Dieser solle die Legende wiederum von einem Historiker aus dem Wallis erfahren haben.

Schenkt man der Legende Glauben, so traf sich vor rund 200 Jahren eine Gesellschaft von dreissig Personen in einem Restaurant bei Brig, um Schweinscarré zu essen. Wie es der Zufall damals aber wollte, fand sich kurz vor Mittag noch eine weitere dreissigköpfige Gruppe im besagten Restaurant ein. Und natürlich hatten auch die neuen Gäste ausserordentlichen Appetit auf Schweinscarré. Die Köchin musste sich schnell etwas einfallen lassen, hatte sie doch nur für 30 Personen Fleisch eingeplant.

So schliff die gewiefte Dame ihr Messer, setzte an und schnitt das Schweinscarré in sechzig statt in dreissig Stücke. Den Verlust an Volumen ersetzte sie mit Walliser Rohschinken und Käse. Scheibchenweise füllte die Köchin damit das Schnitzel. Schliesslich hüllte sie ihre Kreation in eine Panade und servierte sie den Gästen. Eine tolle Idee, wie sich später herausstellte.

Aber nicht nur die Gäste waren angetan von dem in der Not entstandenen Gericht. Auch der damalige Patron des Restaurants konnte sein Glück kaum fassen. Die Dankbarkeit des Restaurantbesitzers gegenüber seiner Köchin war so gross, dass er ihr als Belohnung das blaue Ordensband verleihen wollte. Die Retterin in der Not lehnte jedoch dankend ab. Sie brauche keines, meinte sie, aber er könne ja das Gericht so bezeichnen. War das jener Moment, als das «Cordon bleu» entstand? Mit Sicherheit kann das nicht gesagt werden, wir sind aber sicher, dass schon manche Köchin und mancher Koch improvisieren musste und zugleich neue leckere Speisen auf den Teller zauberte.

Dritte Legende

Wir bleiben in der Schweiz zumindest, was den Hauptprotagonisten der dritten und letzten Legende betrifft. In der Schweiz werden wohl die besten Köche und Köchinnen geboren, so scheinst es zumindest. Denn auch diese Geschichte hat mit einem talentierten Küchenchef zu tun. Spulen wir zurück in die 1920er und 1930er-Jahre. Das «Cordon bleu» war auch zu dieser Zeit eine Auszeichnung der ganz besonderen Art.

So erhielt das Passagierschiff, welches die Ost-West-Passage am schnellsten bewältigte, den blauen Ehrenpreis. Im Jahr 1929 wurde der tapfere Leopold Ziegenbein zum Kapitän der «Bremen», ein nagelneuer Schnelldampfer. Schon auf der ersten Fahrt am 16. Juli 1929 wurde Ziegenbein und seine «Bremen» mit dem «Cordon bleu» ausgezeichnet, denn so schnell wie sie war zu dieser Zeit (noch) niemand.

Der Erfolg Ziegenbeins wehrte nicht lange, denn «Europa» kam ins Spiel. Nein, nicht der Kontinent, sondern das Schwesterschiff der «Bremen». Wie das so ist unter Schwestern, entstand ein Konkurrenzkampf. Dieser entschied «Europa» für sich. Erst 1933 holte sich der Kapitän die blaue Trophäe zurück, als er am schnellsten über den Atlantik schiffte. Zum zweiten Mal stellte Ziegenbein mit seiner «Bremen» einen Rekord auf.

Die Freude darüber war so gross, dass der Kapitän seinem Westschweizer Koch befohlen haben soll, ein ganz besonderes Festmahl zu zaubern. Der fleissige Koch, ein Walliser oder Genfer, hatte wohl eine Vorahnung und schnitt schon im Voraus Kalbfleisch zu. Das reichte dem feierlustigen Ziegenbein aber nicht. Er wies seinen Küchenchef an, etwas mit Käse zu kochen. Das lies sich der Schweizer natürlich nicht zweimal sagen, und legte die besten Käsescheiben in die Schnitzel. Zu Ehren seines Chefs und dem prämierten Boot taufte der Koch das Gericht mit keinem geringeren Namen als «Cordon bleu».

Was denn nun?

Eine plausible Geschichte, oder? Gebe es nicht einen kleinen Haken. Der damalige Chef-Steward der «Bremen» erinnerte sich zwar prima an das gefüllte «Plätzli». Beim Rezept lässt die Erinnerung jedoch nach. So sei gut möglich, dass der Koch das Rezept aus der Schweiz oder aus Frankreich mitgebracht habe. Aber wer hat es denn jetzt erfunden? Die Schweizer oder doch die Franzosen? Das bleibt wohl doch ein ungeklärtes Geheimnis.(paa)

Anna Panier arbeitet als Redaktorin bei Online/Zeitung. Sie absolvierte ein Praktikum in der Medienfamilie Südostschweiz und studiert aktuell Multimedia Production im Bachelor an der Fachhochschule Graubünden in Chur.

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