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Sie sind gekommen, um zu bleiben

Im April letzten Jahres wurde der Wolfsrüde M244 an einem Rehriss in der Nähe der Tal­station Carjöl aufgrund von Speichel eindeutig identifiziert. Seither wurden seine Spuren diverse Male wiedergefunden und dreimal auch genetisch bestätigt. Er ist zusammen mit einem zweiten Wolf unterwegs, vermutlich einem Weibchen.

Barbara
Gassler
07.02.23 - 12:08 Uhr
Leben & Freizeit
Ein Jungwolf erkundet seine Umgebung.
Ein Jungwolf erkundet seine Umgebung.
zVg/AJF

Barbara Gassler

«Wenn zwei erwachsene Wölfe so beständig gemeinsam unterwegs sind, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass es sich um ein Paar handelt», erklärt Arno Puorger, akademischer Mitarbeiter Grossraubtiere beim Amt für Jagd und Fischerei (AJF) in Chur. Gesichert sei das jedoch noch nicht, fügt er an. Dazu bräuchte man wie beim männlichen Tier den ge­netischen Nachweis durch Speichel, Kot oder Urin. Allerdings habe man einzelne Bildnachweise, bei denen das eine Tier kleiner gewesen sei als das andere. Auch das sei ein Hinweis auf ein Weibchen. Unterwegs sind die beiden Wölfe auf praktisch dem ganzen Gemeindegebiet vom Laret bis nach Wiesen. «Nachweise haben wir sowohl aus den Seitentälern wie auch den beiden Seiten des Haupttales.» Damit würden sie über ein vergleichsweise grosses Revier verfügen, das wohl hauptsächlich durch geringe Konkurrenz zustande komme. «Mit menschlicher Präsenz kommen Wölfe dagegen recht gut zurecht. Darum hat das keinen entscheidenden Einfluss.» Störungsempfindlich würden sie vor allem bei der Aufzucht der Jungen.

Vergleichsweise unauffällig

Umgekehrt störten die beiden Beute­greifer bisher auch die menschlichen Geschäfte nicht. «Es sind uns weder Nutztierrisse noch eine problematische Nähe zu den Siedlungen bekannt», sagt Puorger. Im Moment steche das Paar im Vergleich zu anderen Kantonsteilen nicht als problematisch hervor. Als vorbildlich bezeichnet er den Umgang der Gemeinde Davos mit der Ansiedlung des Wolfes. «Es ist sehr begrüssenswert, wie Davos sich Gedanken macht und bereits im ­Vorfeld Abläufe festlegt», sagt Puorger. Er spricht damit die im vergangenen Frühjahr gegründete «Arbeitsgruppe Wolfspräsenz in Davos» an. Gemeinde und Landwirte haben darin festgelegt, was zum Beispiel zu geschehen hat, wenn Herden aufgrund der Wolfspräsenz unruhig werden. So besteht eine Hotline, wo sich Tierbesitzer melden können. Besprochen werden dann Massnahmen wie etwa Wegsperrungen. Damit soll verhindert werden, dass es zu möglicherweise gefährlichen Begegnungen zwischen dem auf Verteidigung eingestellten Vieh und den Benutzern von Bergwegen kommt. Mit im Boot ist dabei auch die Destination, die Sperrungen unverzüglich publik macht. Trotz der bestätigten Wolfs­präsenz, im August wurde M244 im Sertig an einem Hirschkadaver nachgewiesen, wurde die AG aber kein einziges Mal in Anspruch genommen. Damit das so bleiben kann, heisst es auf jeden Fall weiterhin und in Zukunft: Nicht füttern!

Wolfsspuren im Schnee.
Wolfsspuren im Schnee.
zVg/AJF

Luchssichtung

In der Zwischenzeit könnte noch ein ­weiterer Beutegreifer im Landwassertal heimisch geworden sein. Am Seehorn tappte im Frühwinter ein Luchs in eine Fotofalle. «Es handelt sich wahrscheinlich um ein Jungtier auf der Suche nach einem eigenen Revier», erklärt Puorger. Ob es in Davos ansässig werde, darüber entscheide das Beuteangebot. «Im Gegensatz zu Wölfen, die gerne auch mal nicht-tierische Nahrung fressen, sind Luchse reine Fleischfresser.» Obwohl die meisten der Katzenartigen in der Surselva heimisch seien, sei Davos als Habitat aus ökologischer Sicht aber grundsätzlich geeignet, meint der Wildtierökologe. «Rehe und Gämsen stehen ganz oben auf dem Speiseplan des Luchses.»

Schakal als Durchzügler

Keine permanente Ansiedlung ist derzeit vom Goldschakal zu erwarten. Zwar wurde eines dieser Tiere im November in Monstein von einer Fotofalle aufgenommen. Auch hier handle es sich sehr wahrscheinlich um ein Jungtier auf Wanderschaft, stellt Puorger fest. Richtig etabliert hat sich der Zuwanderer aus dem Osten erst im Grenzgebiet zwischen Österreich und Ungarn sowie Richtung Süden in ­Italien entlang der slowenischen Grenze. Im hochalpinen Gelände seien noch keine Populationen des hundeähnlichen Rudeltiers bekannt, fährt der Grossraubtierspezialist fort. Ausserdem müsse es mit einem weiteren ganz gewichtigen Nachteil fertig werden: «Wölfe greifen ihre kleineren Verwandten an. Goldschakale können sich in der Regel nur dort halten, wo es keine Wölfe hat.» Und diese Chance, so scheint es, ist bereits vorbei.

Weiterführende Infos inklusive dem Merkblatt «Leben im Wolfsgebiet» gibt es unter www.wolf.gr.ch

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