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Frühling auf der Schatzalp

Ein blaues Band flattert wieder durch die Lüfte, doch wohl­bekannte Düfte lassen noch ein klein bisschen auf sich warten. Schliesslich ist der Boden hie und da noch etwas gefroren.

Davoser
Zeitung
09.05.22 - 06:58 Uhr
Leben & Freizeit
Pulsatilla vulgaris subspecies gotlandica, eine früh blühende Küchenschelle aus Gotland.
Pulsatilla vulgaris subspecies gotlandica, eine früh blühende Küchenschelle aus Gotland.
zVg

Die ersten Vorfrühlingsboten – die Lenzrosen und die Küchenschellen, die Schlüssel- und die Leberblumen – aber auch die Veilchen und Narzissen blühen bereits um die Wette und trotzen den ­kalten Nächten. Die Sonne lässt die Blumen spriessen und wärmt nicht nur den Pelz der Hummel, sondern auch den gärtnernden Menschen scheint sie wieder wohlig auf den gebeugten Rücken. All das bedeutet Vorfreude, Aktivität, Planung und ein erstes Aufblühen. Dazu gibt es ab und zu einen heissen Kaffee, um die vom Jäten klammen, kalten Finger wieder aufzuwärmen.

Am Samstag, 7. Mai, öffnet das Alpinum auf der Schatzalp die Tore. Wie für die Hummeln mit ihrem warmen Pelz und heizenden Kräften, so lohnen sich ab ­dieser Zeit die ersten Besuche für die menschlichen Gäste, um die Pflanzenschätze und ihr Wirken anzuschauen. Es wäre schade, wenn sie sonst nur von den erwähnten freundlichen und runden Hautflüglern besucht. Die Gärten im unteren Bereich sind wie jedes Jahr frei, also ohne Eintritt zugänglich. Wegen des schnellen Frühlings kann das Guggerbachtal-Alpinum dieses Jahr zwei Wochen früher als üblich, also schon Anfang Juni, öffnen. Der Eintrittspreis bleibt gegenüber dem letzten Jahr unverändert.

Primula denticulata aus Sikkim. Die Kugelprimeln befinden sich nun in voller Blüte.
Primula denticulata aus Sikkim. Die Kugelprimeln befinden sich nun in voller Blüte.
zVg

Noch vorsichtig angehen

Wenig Schnee ist im vergangenen Winter gefallen, und viel bereits geschmolzen. Die Zuversicht ist folglich angeknipst, und es wird ein ganz besonderes, frühes Frühjahr geben. Bis zur Schafskälte Anfang Juni heisst das zwar Geschäftigkeit, doch muss noch mit leicht angezogener Handbremse manövriert werden. Ein nicht untypischer, später Frost verhagelte die Planung schliesslich schon manches Mal. Immerhin befindet sich das Alpinum auf über 1800 m ü. M. So werden zurzeit also vorrangig Zäune aufgestellt, denn die Rehe haben bereits die ersten Blüten gekostet. Auch werden die Wege gepflegt und neue Beete vorbereitet. Zu den Hummeln werden sich bald auch Bienen und all die anderen Insekten gesellen. Vor allem Sommervögel sollen von einem neuen Faltergarten angelockt ­werden. Die Pfingstrosen und Mohne, Wiesenrauten, Euphorbien und Glockenblumen sind schon bald dabei, den Sommer einzuläuten. Schliesslich beinhaltet das Gartenjahr besonders in der Höhe sieben Jahreszeiten. Sie alle können auf der Schatzalp entdeckt und erlebt werden. Das Spiel mit Pflanzen, Pilzen, Insekten, Vögeln und anderen Lebewesen gehört dazu. Genau so wie mit den Strategien und Symbiosen, die auch unser aller Leben erst möglich machen.

Helleborus Orientalis-Hybride: Selten findet man solch schöne dunkle Sorten. Diese hier ist eine neuere Auslese von Klaus Oetjen.
Helleborus Orientalis-Hybride: Selten findet man solch schöne dunkle Sorten. Diese hier ist eine neuere Auslese von Klaus Oetjen.
zVg

Veränderung ist die Norm

So wird es auch dieses Jahr Neuanlagen und Veränderungen im gesamten Garten geben. Diese Arbeiten bleiben nicht verborgen, und Besuchende können laufend sehen, wie neue Beete und Pflanzungen entstehen und diese beobachtend be­gleiten. Schliesslich ist die Beobachtung das, was den gärtnernden Menschen viel Freude bereitet und aus der alle noch so viel lernen können. So ergeben sich ­spannende Fragen, auf die die Hummel bestimmt die Antwort kennt. Doch auch regelmässige Besucher können sie bald beantworten: Wer zeigt in den Beeten seine ersten Blattrosetten? Haben alle Schätze überlebt? Wie steht es um die Neupflanzungen vom letzten Herbst? ­Haben die Mäuse zugeschlagen? Zusätzlich fragen sich die Gärtner, ob sie es schaffen werden, in diesem Jahr den besten Moment zu erwischen, um regulierend einzugreifen? Schliesslich wollen sie die Beete und Pflanzen durchs Jahr möglichst wenig irritieren. Dennoch ist ihre Priorität immer, die Veränderung zuzulassen, denn sie ist das Wesen der Natur und leitet fliessend deren Handeln. Im Alpinum wird das artgerechtes Gärtnern genannt.

Hart im Nehmen

Besuchende sind eingeladen, zu kommen und zu schauen, was bereits blüht und bald blühen will. Denn auch die zerbrechlich erscheinenden Knospen der ersten Wildpfingstrosen lassen ihren Zauber wirken. Am Morgen lassen sie, oft noch mit gefrorenem Tau überzogen, die Triebe hängen. Doch das sind sie sich gewohnt, denn in ihren Heimatgebirgen wachsen sie allesamt in grossen Höhen. Sie stammen aus dem Himalaja, dem Kaukasus und sogar aus den Südalpen. Doch kaum erreichen die Sonnenstrahlen die Pflanzen, stehen sie straff da und sind bereit, ihre Knospen zu öffnen. Sie blühen zwar nur kurz, aber wer kann solche Schönheit noch länger ertragen?

Helleborus torquatus kommt vom Balkan in unsere Gärten. Sie können purpurviolette bis grüne, oft fein duftende Blüten hervorbringen.
Helleborus torquatus kommt vom Balkan in unsere Gärten. Sie können purpurviolette bis grüne, oft fein duftende Blüten hervorbringen.
zVg

Den Samen zum Verständnis streuen

Wichtig ist den Gärtnern im Alpinum die Einstellung zur Pflanze und gleichsam zum Garten. Erst so lerne man die Pflanzen verstehen und richtig im Garten verwenden, sagen sie. Auf diese Reise wollen sie Besucher und Besucherinnen mitnehmen und gleichsam erste Samen streuen. Daher gibt es erneut viele informative Veranstaltungen sowie die bekannten und beliebten Führungen, die wieder ­aufgenommen und auch privat gebucht werden können. Ausser am Montag gibt es an jedem Wochentag eine tolle Ver­anstaltung, in der etwas über die grünen Mitlebewesen gelernt werden kann. Zum Beispiel zeigen Anfang Juni die Küchenkräuter erste Sprossen, und erstmalig wird es am Sonntag, 26. Juni, einen kleinen, feinen Kräuter-Verkaufsmarkt geben. Unter anderem wird auch die Kräuterausstellung neu beschildert und die fleischfressenden Pflanzen (Insektivoren) bekommen ein renoviertes Zuhause.

Verein Freunde Alpinum Schatzalp

So freuen sich die Gärtner und Gärtnerinnen auf der Schatzalp, wenn sie bekannte Gesichter wiedersehen. Dann wissen sie, dass sie ihre Arbeit gut gemacht haben. Doch natürlich ist ihnen auch jedes neue Gesicht willkommen. Vielleicht können einige davon als neue Mitglieder im Verein der Freunde Alpinum Schatzalp gewonnen werden. Er unterstützt den alpinen botanischen Garten und gewährt seinen Mitgliedern umgekehrt einige Vergünstigungen, besonders für das verlängerte botanische Wochenende vom 7. bis 10. Juli.

www.alpinum.ch

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