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Comeback nach 38 Jahren

Keines der grossen Comebacks – natürlich nicht, aber für mich doch wegweisend, schnallte ich doch nach so vielen Jahren wieder einmal die schmalen Langlaufbretter unter die Füsse.

Conradin
Liesch
18.01.22 - 17:49 Uhr
Leben & Freizeit
Die Langlaufloipen in Klosters bieten für jeden Geschmack etwas und führen durch eine grandiose Landschaft.
Die Langlaufloipen in Klosters bieten für jeden Geschmack etwas und führen durch eine grandiose Landschaft.
Bild: zVg/DDO/Christian Engelmair

Skifahren hat mich als Kind nicht wirklich begeistert. Die Skier waren zu lang, das mühsame Hinaufstapfen an «Tomisch Rain» empfand ich als Tortur und dass ich dann immer wieder aus dem Bügellift fiel, tat das Seinige dazu. Nach einem Sturz verstauchte ich mein Bein und machte mit Skifahren Schluss. Ich war zehn Jahre alt.  Die Schulzeit schloss ich als Aussenseiter ab, einer von den wenigen, die nicht Ski fuhren.

Mein Freund Fredy, begeisterter Langläufer, überredete mich ein paar Jahre später, als wir dieselbe Lehre absolvierten, ihn mal einen Nachmittag auf den schmalen Latten zu begleiten. Es sei ganz einfach, meinte er. In zwei Stunden kamen wir aber nur bis zur Aeujer Brücke. Beim zweiten Versuch biss ich durch und erreichte die Alp Garfiun. Von da ging ich jahrelang langlaufen. Unvergesslich sind mir die stillen Morgen durch den frisch verschneiten Tannenwald entlang der Landquart hinein, dann bei Pardenn das dankbare Blinzeln in die wärmende Sonne.

Dann, mit 20 Jahren, bei einer Fahrt einen Hügel hinunter, dachte ich, dass mir das eigentlich auch gut gefallen würde, es einfach sausen zu lassen. Meine Kolleginnen Isabelle und Chrigla brachten mir dann das Skifahren bei. Aber das ist eine andere Geschichte.

Letztes Wochenende folgte ich dann dem «Marschbefehl» meiner Familie und gab das Comeback auf den Langlaufskiern.

Grosses Staunen im «Gotschna Sport» – in der Zwischenzeit hat sich in der Technik doch auch einiges getan. Die Schuhe, weich wie Finken, die Skier leichter, als ich sie in Erinnerung hatte.

Die Kinder und meine Frau hatten die Skier natürlich schneller montiert als ich und liefen bereits am Snowgarden vorbei, als ich endlich in die Gänge kam. Wie ging das nochmals? Die Arme nach vorne und kräftig abstossen – pardauz! «Chönnd mr ihne hälfe?» fragte mich ein freundliches Ehepaar, die meinen wohl sichtbaren Unmut über das verlorene Können und die schlecht gealterte Kondition wohl für ein schmerzverzerrtes Gesicht hielten. Ich beruhigte sie, mein Sturz habe schlimmer ausgesehen, als er gewesen sei.

Dann fing ich ganz manierlich an, hatte aber das Gefühl, kaum vorwärtszukommen. Immerhin holte ich meine Familie wieder ein. Ein erster Erfolg.

Die Erkenntnis, mir selber nichts beweisen zu müssen, der Welt schon gar nicht und ganz einfach Spass zu haben, nahm von mir Besitz. Schliesslich bin ich ja nicht Dario Cologna, sondern darf es  einfach nur geniessen. Natürlich war ich klassisch unterwegs – old school – und hatte auch nichts anderes im Sinn.

Zum Rennschritt, den ich eigentlich als Erstes im Sinn hatte, kam ich dann doch, aber erstaunlicherweise hat man mit 58 nicht mehr dieselbe Puste wie mit 20 und dazu war ich früher wöchentlich Langlaufen gewesen und hatte über eine gewisse Kondition verfügt.

Nun – bis zur Alp Garfiun hat es leider dann doch nicht gereicht. Glücklicherweise kann ich das auf den wartenden Zmittag schieben und die Tatsache, dass wir die Kinder nicht überfordern wollten, damit ihnen der Spass schon am Anfang verleidet. Ob sie das nächste Mal wieder mitkommen, ist eh nicht sicher, die eine redet von der Ski-JO, die andere vom Snowboarden.

Ich jedenfalls spürte Muskeln, die offenbar schon längere Zeit nichts mehr zu tun hatten – auch noch einen Tag später.

Was geblieben ist: Das Staunen, durch die stille, eindrückliche Landschaft zu gleiten. Die glückliche Müdigkeit in den Stunden danach. Und der Wille, damit weiterzumachen. Ich freue mich schon jetzt darauf.

Nachtrag: Erst später erfahre ich, dass nur wenige Zeit später auf der Langlaufloipe ein Todesfall zu verzeichnen war. Darf ich meinen Ausflug gleichentags trotzdem beschreiben, meine Freude daran, mein Sichlebendigfühlen?
Mich reuen jedenfalls eher die Dinge, die ich nicht gemacht habe. Das Leben kann so schnell vorbei sein – ein Arztbesuch und alles ist anders. Was meinen Sie dazu, liebe Leserinnen und Leser? Schreiben Sie uns Ihre Meinung dazu als Kommentar.

 

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Ja, natürlich darf man das. Lass dich nicht unterkriegen vom Schicksal. Es macht solche Sprünge, die man nie im Voraus ahnen und schon gar nicht wissen kann. Man ist nie zu alt, um etwas Neues anzufangen.
In deinem Fall: Sei den Kindern ein Vorbild und mach weiter. Auch wenn sie einmal nicht mitkommen. Das ändert plötzlich.

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