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Carl Georg Bernhard: Mehr als ein Schoggifabrikant

Das Stadtarchiv widmet seine Schaufensterausstellung dem Churer Schoggi-Chemiker Carl Georg Bernhard, der sich damals fernab seiner Heimat ausbilden und inspirieren lässt

Bündner Woche
28.01.23 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Die «Schoggi Grison»: Die Firma Chocolat Müller & Bernhard wurde 1893 von Charles Müller und Carl Georg Bernhard gegründet und später in Chocolat Grison umbenannt. Ansicht der Fabrikgebäude an der Wiesentalstrasse. Briefkopf, nach 1905.
Die «Schoggi Grison»: Die Firma Chocolat Müller & Bernhard wurde 1893 von Charles Müller und Carl Georg Bernhard gegründet und später in Chocolat Grison umbenannt. Ansicht der Fabrikgebäude an der Wiesentalstrasse. Briefkopf, nach 1905.
Stadtarchiv Chur

von Susanne Turra

Chocolat Grison. Wer kennt sie nicht? Die legendäre Schoggifabrik von damals. Auf dem Areal der oberen Wiesentalstrasse beheimatet. Jene «Schoggi Grison» mit den grossen Töpfen voller dunkelbrauner, flüssiger und süsser Köstlichkeit, in die so manche Churer Primarschülerinnen und Primarschüler in den Siebzigerjahren während einer Führung heimlich ihre Löffel tunken. Himmlisch. Und einheimisch. Längst ist das Gebäude gewichen. Die Geschichte bleibt. Von Carl Georg Bernhard. Dem Churer Schoggi-Chemiker schlechthin. Mehr noch. Zusammen mit Rodolphe Lindt, Henri Nestlé und Jean Tobler gehört er zu den Pionieren der Schweizer Schokoladen-Industrie. Im 2017 übergibt Dina Casparis den Nachlass ihres Urgrossvaters Carl Georg Bernhard dem Stadtarchiv Chur. Und heute gibt die Schaufensterausstellung des Rathauses an der Reichsgasse Einblick in das Leben und Wirken des Schoggifabrikanten.

Das Glück als Zuckerbäcker versuchen

Es ist Dienstag in Chur. Ein kalter, schattiger Januarmorgen in der Altstadt. «Wir müssen uns warm anziehen, um die Ausstellung zu sehen», sagt Katarzyna Mathis und lacht. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Churer Stadtarchivs lässt die Türe im Rathaus hinter sich ins Schloss fallen. Zwei Minuten später steht sie an der Reichsgasse vor dem Schaufenster. Und damit vor einem Stück Churer Alltags- und Kulturgeschichte. Katarzyna Mathis kennt die Geschichte gut. Sie hat schon den Nachlass bearbeitet. Es ist ihre Ausstellung. Eine Schaufensterausstellung, die man einfach so beim Vorbeilaufen ein bisschen studieren kann. Und genau das wollen wir jetzt tun. Sechs Schaufenstertafeln führen durch das Leben des bedeutenden Bündner Unternehmers von damals. Zur Geschichte gleich ein bisschen Vorgeschichte. Die Familie mütterlicherseits von Carl Georg Bernhard wandert im 18. Jahrhundert ins damals russische Baltikum aus, um ihr Glück als Zuckerbäcker zu versuchen. Mit Erfolg. Innerhalb weniger Jahre kann sich die Familie sowohl in Riga, der Hauptstadt Lettlands und grössten Stadt des Baltikums, als auch in Chur geschäftlich und gesellschaftlich etablieren.

Sein Innovationsgeist ist geweckt

Carl Georg Bernhard wird 1858 im Rigahaus, dem Familiensitz an der Churer Masanserstrasse, geboren. Er besucht die Stadt- und Kantonsschule. Es folgt ein Chemiestudium an der ETH Zürich und an der Universität München. Nach dem Militärdienst begibt er sich auf Reisen und sammelt als technischer Chemiker Erfahrungen. 1880 in Kiel. 1881 in Manchester. 1882 in London. Und dann reist er nach Riga, um einige Jahre im grossväterlichen Betrieb zu arbeiten. So entsteht 1886 seine Liebe zur Schokoladenfabrikation. Sein Innovationsgeist ist geweckt. Er untersucht chemisch Kakaobohnen und Schokolade. Er lässt einen Luftbefeuchtungsapparat patentieren. Und er versucht sich an neuen Fotografietechniken. Denn es ist nicht nur die Schokolade, die Carl Georg Bernhard in den Bann zieht. Der Unternehmer hat viele Passionen. Er ist begeisterter Turner, Fotograf und Jäger. Er pflegt den Garten. Und er verbringt viel Zeit mit seiner schwedischen Ehefrau und der gemeinsamen Tochter. Auch die Natur ist seine Passion. So hilft er damals tatkräftig mit bei der Wiederansiedlung des ausgestorbenen Steinbocks. Dem Bündner Wappentier. 1939 stirbt der innovative Schoggi-Chemiker in Chur.

Familienmensch: Carl Georg Bernhard mit seinen Enkelkindern. Bild Stadtarchiv Chur
Familienmensch: Carl Georg Bernhard mit seinen Enkelkindern. Bild Stadtarchiv Chur

Und die Chocolat Grison? Mit dem Schaffhauser Charles Müller eröffnet Carl Georg Bernhard 1893 die Schokoladenfabrik Müller & Bernhard. 1904 zieht sich Carl Georg Bernhard zurück. Und Charles Müller führt den Betrieb unter dem Namen «Chs. Müller & Co., Chocolat Grison» alleine weiter. 1961 wird die Firma von «Lindt & Sprüngli» übernommen. Geschlossen wird der Betrieb in Chur aber erst 1997. Nach über 100 Jahren Produktion. Zu den Churer Spezialitäten gehören damals die Pralinés «Don Carlos», die Milchschokolade «Kernbeisser» mit Haselnusskernen und der «Reine Hafer-Cacao, Weisses Pferd». Übrigens gibt es damals schon Schokoladen-Sammelbildchen, die in Alben eingeklebt werden können. Panini lässt grüssen. Und weil die Schokoladenhersteller seit dem 19. Jahrhundert grossen Wert auf Werbung legen, kann die Schaufensterausstellung auch einiges an Werbematerial von damals zeigen. Ein kleines Beispiel gefällig? «Reiner Hafer-Cacao. Marke Weisses Pferd. Ärztlich empfohlen als bestes & gesündestes Morgengetränk für jedermann, besonders für Kinder, Reconvalescenten & verdauungsschwache Personen. Man hüte sich vor Nachahmungen. Müller & Bernhard. Alleinige Fabrikanten Chur – Schweiz.» Gestern Hafer-Cacao. Heute Hafermilch. Sie war gut. Schon damals. Die Werbung.

Die Schaufensterausstellung zu Carl Georg Bernhard (1858 – 1939) «Der Churer Schoggi-Chemiker» ist bis im Spätherbst an der Reichsgasse in Chur zu sehen.

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