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In der Pandemie auf den Hund gekommen

Mit dem Coronavirus ist der Wunsch nach einem Haustier schweizweit stark gestiegen. Auch im Glarnerland förderten Homeoffice und Einsamkeit den Haustierboom. Doch nicht immer gibt es ein Happy End.

15.08.21 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Hund
Hund, fotografiert im Fürstenwald in Chur am 3.5.19. Bild Philipp Baer
PHILIPP BAER

Deutlich mehr Glarnerinnen und Glarner schafften sich im Coronajahr 2020 einen Hund an. Laut der Tierstatistik von Amicus wurden in den Jahren vor der Pandemie jährlich nur zwischen 12 und 26 neue Hunde beim Kanton registriert. Von Januar 2020 bis Januar 2021 sind dann 138 neue Glarner Vierbeiner dazugekommen – fünf- bis zehnmal so viele.

Durch die Coronamassnahmen hatten die Menschen mehr Zeit als sonst, waren öfter zu Hause und flogen nicht mehr in die Ferien. Andere hätten sich während des Shutdowns einsam gefühlt und ein «Gschpänli» gesucht, heisst es in einer Medienmitteilung des Schweizer Tierschutzes zu den Gründen für den Haustierboom.

Im Tierheim Linth in Goldigen SG, in dem auch Glarner Vierbeiner ein Zuhause finden, gab es nach Ausbruch der Pandemie laut Leiterin Sarah Meyer extrem viele Anfragen für die Hundevermittlung. «Teilweise gab es für einen Hund bis zu 40 schriftliche Anfragen – telefonische noch dazu», so Meyer. «Es war schon extrem, wer sich alles bei uns meldete. Wir mussten ganz genau schauen, wer sich für die Tiere interessierte, viele Abklärungen machen, um die Plätze für die Hunde gut auszuwählen.»

Viermal so viele Welpen

Auch in der Glarner Hundeschule «VIPfötli» von Jeanette Beer haben sich seit der Pandemie wesentlich mehr Menschen mit ihren Hunden angemeldet. Dies, um die vorgeschriebenen Hundehalterkurse zu absolvieren oder um mit ihrem neuen Familienmitglied zu trainieren. «Auffallend sind vor allem die vielen Welpen», so Beer. Vorher habe sie stets Mühe gehabt, drei bis vier Hunde für den Welpenkurs zusammenzubekommen. «Derzeit sind es aber zwölf bis 15 Welpen, die mit ihren Herrchen oder Frauchen zum Kurs kommen.»

Die Menschen, die sich mit ihren Vierbeinern bei Jeanette Beer melden, könnten unterschiedlicher nicht sein. «Da sind junge Erwachsene, die sich mit dem Hund einen Lebensbe­gleiter erhoffen, oder Familien, deren Kinder sich unbedingt einen Hund gewünscht haben. Es gibt aber auch viele ältere Menschen, die sich in der Pandemie oft allein fühlten und dies mit einem Hund nun ändern möchten», erzählt die Hundetrainerin.

 

Sorgfältig prüfen

Egal, ob man sich im Tierheim einen Hund holt, bei Privatpersonen oder über Vermittlungsorganisationen im Internet – der Schweizer Tierschutz (STS) rät: Augen auf beim Hundekauf! Er sollte kein Spontanentscheid sein. Die Entscheidung für einen Hund sollte sorgfältig geprüft werden. Ebenso die Wahl der Rasse sowie die Herkunft. Viele der Tieran­gebote seien ausserdem nicht seriös. Es werden laut STS häufig Hunde verkauft, die unter qualvollen Bedingungen aufwachsen, krank oder sehr ängstlich sind. Idealer­weise sollte man die Hunde vor dem Kauf mehrmals besuchen und das Tier kennenlernen. (leo)

Nähere Informationen gibt es auch unter hundekauf.ch

Auf Frust folgt Kapitulation

Doch nicht immer halten die Vorstellungen der Realität stand. Vor allem seit sich das Leben wieder etwas normalisiert hat, merken einige der Neuhundehalterinnen und -halter, dass die Tiere mehr Arbeit machen als erwartet. «Leider erlebe ich es immer häufiger, dass die frischgebackenen Hunde­eltern ihre Tiere schon kurze Zeit nach der Anschaffung wieder loswerden möchten. Denn viele haben völlig unterschätzt, wie viel Arbeit so ein Tier bedeutet», bedauert Beer.

Vor allem, wenn man sich einen Welpen anschafft, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass sie fast gleich viel Arbeit bedeuteten wie ein Kleinkind. «Sitzt man zum Beispiel im Arbeitszimmer vor dem PC, so darf man nicht erwarten, dass die Tiere den ganzen Tag schlafend daneben liegen», so Beer. Auch folge auf die anstrengende Welpenphase, in der das Tier stubenrein werden und auf erste Kommandos hören sollte, die ebenso kraftraubende Hundepubertät.

«Will ich links gehen, zieht das Tier nach rechts, möchte ich alleine einkaufen, wird lautstark protestiert. Und man sollte sich darauf einstellen, dass in dieser Phase im Haushalt viel kaputt geht», beschreibt Beer, was auf die Welpeneltern zukommt. Das sei die Zeit, in der viele kapitulierten. Erst, wenn das Tier rund anderthalb Jahre alt ist, sei die anstrengende Phase vorbei.

Volle Tierheime nach Boom

Bevor ein Tier zurückgegeben wird, versucht es Beer meist mit intensiver Beratung und Trainings. «Ich habe aber auch schon dazu geraten, ein Tier wieder abzugeben. Nicht nur wegen der Hundehalter, sondern auch wegen des Tierwohls», so Beer.

Das Problem dabei: Nur seriöse Züchterinnen und Züchter sowie Tierschutzorganisationen nehmen die Tiere zurück. Doch etliche Tiere werden über das Internet oder zweifelhafte Or­ganisationen erworben. Die Schweizer Tierheime sind deshalb aktuell meist bis auf den letzten Platz voll. Einerseits wegen der vielen Corona-Hunde und andererseits wegen der aktuellen Ferienzeit, in der viele Tiere zur Pension ins Heim gegeben werden.

Die Hundetrainerin würde sich wünschen, dass potenzielle Hundehaltende vor dem Kauf mal in einer Hundeschule vorbeischauen. Dort können sie sich beraten lassen, mit den Leuten in den Kursen reden und erfahren, was genau auf sie zukommen könnte. Jenen, die sich in der Coronazeit ein Tier angeschafft haben, rät Beer noch, mit ihrem Tier frühzeitig auch das Alleinsein zu trainieren. Denn würden die Tiere zu lange nicht damit konfrontiert, werde es immer schwieriger, sie auch mal für einen Vormittag allein in der Wohnung zu lassen.

Sich vorab gut informieren: Vor dem Hundekauf macht es laut Jeanette Beer Sinn, sich in einer Hundeschule beraten zu lassen und sich mit anderen Hundebesitzerinnen und Hundebesitzern auszutauschen – wie hier beim Welpenkurs in Glarus.

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«Homeoffice und Einsamkeit»
oder
«Leidende und Aufpäppeln»?
Leider wird in obigem Artikel einzig das Tierwohl thematisiert,
nicht das Menschenwohl unschuldiger Dritter in Mehrparteienhäusern (die keine Hundehütten sind, sondern Menschen als Zuflucht/Castle dienen) durch Bellen (bzw. andere Attacken).
In jeder Mieterumfrage ist Lärm zuoberst auf der Sorgenliste. Barrierefrei Wohnen in Medien und Gesetzen einzig mit Rollstuhl gleichzusetzen, ist eine Ungerechtigkeit und Exklusion Schwerkranker (wie Dauerkopfschmerzen, Herz/Kreislauf, Hirnschlag etc.), denn die Barriere (bzw. Hauptgesundheitsgefahren gemäss WHO) sind Stress/Lärm und Luftverschmutzung (praktisch 24h/Tag Passivrauchenpflicht im Schlafzimmer eines chronisch Atemwegserkrankten, obwohl in öffentlichen Gebäuden und IN und UM Schulen und Kindergärten Rauchverbot gilt). Ich finde es eine Schande im Lande der angeblichen Minderheitenschutzes, dass sich gegen dieses Unrecht weder "Soziale Institutionen" noch Krankenkassen noch Politiker wehren meines Wissens. Abgesehen davon, dass die Lösung sehr einfach wäre: Häuser für Stille (-Bedürftige) am einen Ort; Häuser für Lärm-Enthusiasten around-the-clock am anderen Ort. Abgase dito.
Zitat aus dem Beobachter:
Hunde: Die kantonalen Gesetze schreiben vor, dass ein Hundehalter alle Vorkehrungen treffen muss, damit sein Tier nicht durch Bellen oder Heulen die Ruhe stört. Hunde können und müssen so erzogen werden.

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