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Für ihn ist der Kräuteranbau kreativ

Reto Rasellis Kräuter hatten alle schon im Mund. Sie stecken nämlich in jedem Ricola-Kräuterzucker. Jetzt ist der Puschlaver Pionier für den Bio-Grischun-Preis nominiert.

Ursina
Straub
02.02.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Für Reto Rasellis ist der Kräuteranbau kreativ.
Für Reto Rasellis ist der Kräuteranbau kreativ.
MARCO HARTMANN

Bereits im Treppenhaus riecht es intensiv nach Pfefferminze. In den Produktionsräumen packen flinke Hände pyramidenförmige Teebeutel in Cellophansäcken, beschriften den Bio-Bergkräutertee und legen ihn in Kartonschachteln. Reto Raselli führt zu seinem Büro im obersten Stock. Auch da: Minzenduft. Raselli lacht und sagt: «Das nehme ich schon gar nicht mehr wahr.» Auf einem niedrigen Buffet sind Teeschachteln aufgeschichtet. Darin aufgereiht: Raselli-Kräutertee der Erboristeria Biologica in Le Prese.

«Ein Grossteil unserer Arbeit besteht darin, das Unkraut in Schach zu halten.»

Aufwendig verpackte Teevariationen von anderen Herstellern stehen in einem Büchergestell. «Hin und wieder muss man probieren, was die Konkurrenz produziert», erklärt Raselli. Sodann sucht er nach einer Datei auf seinem Computer und spielt sichtlich stolz einen Film ab. Darin zu sehen: Bundesrätin Doris Leuthard, die gut gelaunt Rasellis Felder am Lago di Poschiavo besichtigt, sich angeregt mit ihm unterhält, den Biotee verkostet. «Sie ist so natürlich!», schwärmt der Puschlaver. Das trifft auch auf seine Alpenkräuter zu.

100 Prozent bio sind die Bergkräuter, die auf seinen Feldern wachsen. Mit Medizinalkräutern hat Raselli begonnen. Heute wachsen rund 30 Sorten auf rund 15 Hektaren. Die Ernte wiegt fast 40 Tonnen. «Die Alpenkräuter haben das Tal bekannt gemacht», sagt der Biobauer. «Das Puschlav hat dank des Kräuteranbaus ein positives Image.»

Viel Handarbeit

Seit den Achtzigerjahren setzt Raselli auf biologische Kräuter. Er war einer der Ersten und gilt als Pionier. Andere haben damit wieder aufgehört. Er ist dabei geblieben. «Der Kräuteranbau ist eine Herausforderung», weiss er. «Deshalb will das kaum einer machen.»

Da ist etwa die Trocknung: Sie ist aufwendig. Die akkurate Verpackung: «Man muss sie bei jedem Produkt neu erfinden.» Und schliesslich die Witterung: Wenn es zu nass ist, funktionieren die Feldmaschinen zur Unkrautbekämpfung nur mässig. Überhaupt das Unkraut: «Ein Grossteil unserer Arbeit besteht darin, das Unkraut in Schach zu halten.» Ganze Karretten- ladungen zupfen Rasellis Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Frühjahr bis Herbst aus den Äckern. Sieben Angestellte beschäftigt Raselli fix. Im Sommer sind es bis zu 20 Leute.

Gross geworden ist die Erboristeria auch dank eines kleinen Kräuterzuckers: Raselli war nämlich von Beginn weg Zulieferer der Firma Ricola. Anfänglich wurde praktisch die ganze Kräuterernte in Hustenbonbons umgewandelt. Heute liefert er noch un- gefähr einen Drittel ab.

In ganz Europa vernetzt

Die Partnerschaft mit Ricola hat eine professionelle Produktion ermöglicht. Nach und nach ist die Erboristeria gewachsen. «Ohne diese Zusammenarbeit wäre der Kräuteranbau in der Schweiz wohl nicht so gediehen», vermutet Raselli, der mit Bio-Kräuterproduzenten im Berggebiet und in ganz Europa gut vernetzt ist. Längst sind seine Kräutertees auch im Sortiment eines Grossverteilers und stehen in den Regalen von regionalen Läden.

Begehrte Blütenmischungen

Doch Raselli kümmert sich nicht nur um Kräuter. Er hält auch Mutterkühe, Mastschweine, Legehennen, Esel und Pferde, baut Gewürze und Blumen an. Die getrockneten, essbaren Blüten machen sich gut als Dekoration auf Salaten, Suppen oder Pasta. «Die Blütenmischungen kommen gut an», sagt Raselli. Und man merkt, das ist es, was den gelernten Automechaniker fasziniert: dieses Pröbeln und Tüfteln, Herausfinden und Verwerfen, Planen und Vermarkten. Deshalb sagt der Kräuter- könig auch: «Meine Arbeit ist sehr kreativ.» Kräuterkönig? Raselli lacht. «Diesen Ausdruck hat einst ein Journalist geprägt.» Dann zuckt er mit den Schultern. «Mich dünkt, das Etikett ist eine Ehre.»

Ursina Straub schreibt als Redaktorin der «Südostschweiz» für den Regionalteil der Zeitung und für Online. Ihre Themenschwerpunkte sind Landwirtschaft, Alp, Jagd, Grossraubtiere, Natur; zudem berichtet sie regelmässig aus dem Grossen Rat. Die gelernte Journalistin, diplomierte Landwirtin und Korrektorin EFA ist auch Leiterin Qualität.

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