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Die Kundin hat den Garten, sie die Arbeit

Cilgia Marti-Rauch aus Sent vermietet Pflanzblätze. Ihre Kundschaft bestimmt, was angebaut wird. Sie jätet und erntet. Mit diesem Konzept ist sie für den Bio-Grischun-Preis nominiert.

Ursina
Straub
30.01.18 - 12:00 Uhr
Leben & Freizeit
Cilgia Marti-Rauch jätet und erntet für andere Leute.
Cilgia Marti-Rauch jätet und erntet für andere Leute.
MARCO HARTMANN

Der Garten sei immer schon ein Ort gewesen, wo sie alles hinter sich lassen könne, sagt Cilgia Marti-Rauch. «Ich ging nicht so gerne zur Schule», gesteht die 29-Jährige aus dem Weiler Crusch bei Sent. «Aber sobald ich im Garten war oder auf dem Hof mithalf, waren die schlechten Noten vergessen.» Das stete Zupfen von Unkraut etwa sei wie eine Meditation. So lag es auf der Hand, dass sie sich zur Gärtnerin ausbilden liess und als Zweitausbildung am Plantahof in Landquart Landwirtin lernte.

Seit sechs Jahren ist sie zurück im Unterengadin. Dort hatte sie gemeinsam mit ihren beiden Schwestern Anna und Tinetta Rauch die Idee zu «La Cruschada»: dem mietbaren Biogarten. Rund 20 Pflanzblätze hat Marti letzten Sommer an ihre Kundschaft vermietet. Sie hofft, dass es dieses Jahr gleich viel sein werden.

Gärtli auf 1265 Metern über Meer

Das Konzept ist einfach: Wer Lust hat, einen Biogarten nach den eigenen Wünschen zu gestalten, mietet im Frühling einen «Üertin», einen eigenen alpinen Garten. Diesen können die Kundinnen und Kunden von Mai bis Oktober selber bewirtschaften. Oder sie lassen Cilgia Marti die Arbeit machen.

«Die Bewirtschaftung des eigenen Gärtchens ist nicht ganz ohne Tücken.»

Die Beeren, Blumen und sämtliches Gemüse, das auf einer gemieteten Gartenparzelle auf 1265 Metern über Meer wächst, gehört den Kunden. Sobald das Grünzeug reif ist, kann geerntet werden. Oder Marti pflückt die biologischen Produkte und transportiert die Gemüsetaschen zu zwei Depots in Scuol und Sent. «Die Natur dirigiert, wann die Produkte reif sind», sagt Marti. Es gebe keine Garantie, dass jede Sorte gelinge. «La Cruschada» sei kein Supermarkt, erklärt sie, sondern biete echte Natur und die Chance, diese zu beobachten und neu kennenzulernen. Viele Menschen wüssten etwa nicht mehr, wie lange eine Tomate brauche, um zu reifen. Sie hätten die Beziehung zu den Nahrungsmitteln verloren. Und selbst im Unterengadin hätten längst nicht mehr alle einen eigenen Garten.

Eine Zucchettipflanze reicht

Wenig verwunderlich also, dass ganze Familien, Einheimische jeden Alters und Zweitwohnungsbesitzer eine Gartenparzelle mieten. «Sie beginnen mit grosser Begeisterung», erzählt Marti. «Aber die Bewirtschaftung des eigenen Gärtchens ist nicht ohne Tücken.» So müssten sich jene, die den Pflanzblätz selber bestellten, oft erst Wissen über das Gärtnern aneignen.

«Einige sind erstaunt, wenn sie erfahren, dass eine Zucchettipflanze vollauf reicht, um eine ganze Familie während einer Saison zu versorgen», so Marti. «Anderen war nicht bewusst, dass Mangold und viele Kräuter nachwachsen und sie somit mehrmals geerntet werden. Auch Brokkoli und Bohnen treiben nach der ersten Ernte wieder aus.»

So kann die Verarbeitung des Gemüses zur Herausforderung werden. «Man muss kreativ sein», weiss Marti. «Und vielleicht den Menüplan kurzfristig umstellen, weil die Ernte des einen Gemüses klein ausfiel und ein anderes übermässig viel hergibt.» Aber genau das mache den Ferngarten aus. Marti hilft deshalb bei der Planung und unterstützt mit Tipps.

Gemüse im Abo

Neben den Kundengärten bewirtschaftet Marti einen eigenen Garten. Die Schnittblumen und das frische Gemüse verkauft sie direkt ab Hof oder mit einem Gemüseabo. Ihr mache es gleich viel Freude, in den fremden Gärten anzupacken, sagt sie. «Das erfüllt mich mit Zufriedenheit.» Und wenn mal eine Ernte wegen schlechtem Wetter karg ausfalle, so tue ihr dies leid.

Noch hält der grosse Garten im kleinen Weiler Crusch seinen Winterschlaf. Marti bestellt Samen und plant die nächste Gartensaison. Bald zieht sie die ersten Setzlinge auf. Damit alles parat ist, wenn es wieder wärmer wird.

Ursina Straub schreibt als Redaktorin der «Südostschweiz» für den Regionalteil der Zeitung und für Online. Ihre Themenschwerpunkte sind Landwirtschaft, Alp, Jagd, Grossraubtiere, Natur; zudem berichtet sie regelmässig aus dem Grossen Rat. Die gelernte Journalistin, diplomierte Landwirtin und Korrektorin EFA ist auch Leiterin Qualität.

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